US-Angriff auf syrischen Luftwaffenstützpunkt - ein erneuter Schlag gegen das Völkerrecht und Friedensbemühungen

In der Nacht zum Freitag den 7. April haben die USA mit 59 »Tomahawk«-Raketen eine Militärbasis der Luftwaffe in Syrien angegriffen. Neben sechs Soldaten wurden nach syrischen Angaben auch neun Zivilisten getötet, darunter vier Kinder. Der direkte Eingriff in den Krieg in Syrien ist eindeutig eine Aggression gegen einen souveränen Staat, die auch nicht dadurch relativiert wird, dass die USA zusammen mit anderen NATO-Staaten bereits seit zweieinhalb Jahren einen völkerrechtswidrigen Luftkrieg über Syrien gegen den "Islamischen Staat" führen. Die USA haben damit den Krieg in Syrien weiter eskaliert und die Konfrontation mit Russland gefährlich verschärft
 
Dennoch hat sich die Bundesregierung, gemeinsam mit den Regierungen Saudi-Arabiens, der Türkei, Großbritanniens und anderen NATO -Staaten hinter den Angriff gestellt. Ohne eine Untersuchung des Giftgasanschlags vom Dienstag zuvor abzuwarten, mit dem US-Präsident Donald Trump die Aggression rechtfertigt, verkündeten Kanzlerin Merkel und ihr französische Kollege Hollande, Syriens Präsident Assad trage »die alleinige Verantwortung für diese Entwicklung«, seine »Verbrechen gegen die eigene Bevölkerung verlangten eine Sanktionierung«.

Der Raketenangriff auf den Flughafen Al-Schairat folgte US-Luft-Angriffen auf Mossul und in der Provinz Raqqa, die nachweislich Hunderte Tote forderten. Für das Bombardement am 21. März auf die als Flüchtlingsunterkunft dienende Badiya-Schule in Mansoura bei Raqqa, dem bis zu 420 Menschen zum Opfer fielen, hatte die deutsche Luftwaffe die Zielkoordinaten geliefert.
Dass die syrischen Streitkräften tatsächlich für den Giftgasangriff in Khan Scheikhun verantwortlich sind, ist hingegen äußerst unwahrscheinlich (s. Giftgasangriff in Syrien: Erneut vorschnelle Urteile). Es wäre geradezu idiotisch von der syrischen Führung, ihren Gegnern, die seit Jahren auf ein direkte Intervention drängen, solche Steilvorlagen zu liefern, zu einem Zeitpunkt, wo die syrischen Truppen auf dem Vormarsch sind und wenige Tage nach dem die Trump-Regierung verkündet hatte, der Sturz Assad stünde nicht mehr auf der Agenda Washingtons.

Wesentlich näher liegt es, dass es den Gegner des syrischen Regimes nach Dutzenden Versuchen gelungen ist, durch eine False Flag Operation die USA zu einem Militärschlag zu bewegen. Auch wenn Trump es damit bewenden lässt, mit diesem Angriff gezeigt zu haben, dass er im Unterschied zu seinem Vorgänger "Eier in den Hosen" hat, ist der Schaden für das Verhältnis zu Russland und die Bemühungen um eine politische Lösung groß.

Russland setze konsequenter Weise das "Memorandum mit den USA über die Vermeidung von Zwischenfällen bei Flügen während Militäreinsätzen in Syrien" aus. Der kurze Draht zwischen russischen und US-Militärs in Syrien ist damit vorerst gekappt und damit die Wahrscheinlichkeit direkter Zusammenstöße russischer und NATO-Kampfjet drastisch erhöht, wie auch eine Eskalation durch Abschuss US-amerikanischer Raketen und Flugzeugen durch russische Luftabwehrsysteme.

Die islamistischen Kampfverbände waren durch die zahlreichen Niederlagen der letzten Monate mittlerweile schon derart demoralisiert, dass sie sich -- u.a. aufgrund unterschiedlicher Haltungen zu Friedensverhandlungen -- gegenseitig an den Kragen gingen (s. z.B. Syria's Rebels Turn on Each Other, Stratfor, 27.1.2017 u. Syria - Rebel" Infighting And Turkish Losses Help the Government And Its Allies, Moon of Alabama, 24.1.2017)
Man braucht wenig Phantasie, um sich vorzustellen, wie stark die US-Angriffe ihre Moral wieder gestärkt und den Durchhaltewillen aller, die an ein Aufgeben dachten, neu entfacht hat. Damit steigt natürlich auch die Gefahr weiterer Anschläge mit Giftgas oder anderer Massaker, die der syrischen Führung in die Schuhe geschoben werden kann.

US Air Force als Luftwaffe der Dschihadisten

Es war allerdings nicht das erste Mal, dass die US-Luftwaffe selbst unmittelbar syrische Streitkräfte angegriffen hat. Am 17. September 2016, kurz nach der Vereinbarung einer siebentägigen Waffenruhe, flog die US-geführte Allianz schon einmal Angriffe gegen Stellungen der syrischen Armee bei Deir ez-Zor. Bis zu 90 syrische Soldaten wurden bei dem Bombardement getötet und über 100 verwundet. (US-Led Strike on Syrian Army Included British, Danish, Australian Jets, Military.com, 19.9.2016, Russia Had to Call U.S. Twice to Stop Syria Airstrike, Foreign Policy, 20.9.2016)
Auch wenn es angesichts der Dauer und Intensität der Angriffe auf die Truppen, die vom Islamischen Staat (Daesch oder IS) eingekreiste Stadt verteidigten, wenig glaubhaft klang, behauptete die US-Armee damals noch, dies sei irrtümlich geschehen.(Leith Fadel, US Coalition knew they were bombing the Syrian Army in Deir Ezzor, Al-Masdar Al-'Arabi, 27.9.2016, Was Syrian air strike a 'mistake'? And why does Australia loyally plead guilty?, Independent Australia, 22.9.2016 )
Nur eine Stunde nach den Angriffen vom 17. September begannen Daesch-Kämpfer mit dem Sturm der zuvor von den bombardierten syrischen Truppen gehaltenen, strategisch wichtigen Höhen der Tharda-Berge (Jabal Tharda), beim Flughafen von Deir ez-Zor. Da die Rollbahnen nun in Schussweite der Dschihadisten lagen, wurde damit die Versorgung der Bevölkerung der Stadt unterbrochen.

Der neue Angriff vom Freitag wird gleichfalls für die in Bedrängnis geratenen Milizen-Verbänden in der Provinz Idlib, die von dschihadistischen Gruppen, wie Nusra Front und Ahrar al Sham dominiert werden, für Entlastung sorgen.
Die Air Base Al-Schairat südöstlich der zentralsyrischen Stadt Homs war ein wichtiger Stützpunkt im Kampf gegen die islamistischen Kampfverbände, zuletzt gegen den Angriff von nahezu 10.000 Gotteskrieger auf Hama. Auch die Rückeroberung der vom IS besetzten Ruinenstadt Palmyra ging Anfang des Jahres von Al-Schairat aus. Die USA haben sich nun faktisch zur Luftwaffe der dschihadistischen Milizen, gemacht.

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Siehe auch:

Karin Leukefeld, Sprengköpfe gegen das Völkerrecht - US-Präsident Donald Trump lässt Syrien bombardieren – westliche und arabische Herrscher jubeln, jW, 08.04.2017, Seite 1 / Titel
Giftgas und US-Luftschlag, Karin Leukefeld aktuell aus Damaskus , Weltnetz.tv,
Über Hintergründe und Auswirkungen der Eskalation sowie die aktuelle militärische Lage an verschiedenen Fronten in Syrien sprach Sabine Kebir für Weltnetz.tv mit Karin Leukefeld in Damaskus.

Syrien: Assads Giftgas?, Deutsche Welle, 6.4.2017
War der Giftgasangriff in Nordsyrien tatsächlich ein Kriegsverbrechen des Assad-Regimes? Experten halten auch einen Angriff unter "falscher Flagge" dschihadistischer Rebellen für möglich. Dies wäre nicht das erste Mal.

David Swanson , Top 10 Lies, Damn Lies, and Lies About Syria, davidswanson's blog, 7.4.2017

USA: Trump übergibt die Macht an die Generäle, Deutsche Wirtschafts Nachrichten, 8.4.2017
Die Deutsche Wirtschafts-Nachrichten verfolgen die These, Trumps Befehl zum Angriff sei auch ein Schachzug gegen die US-Geheimdienste:

Moskau verurteilt US-Luftangriff in Syrien als "gedankenlos", Die Presse, 7.04.2017
Nach dem mutmaßlichen Giftgasangriff auf Khan Sheikoun attackierten die USA erstmals Syriens Regime. Russland beendet eine Vereinbarung über die Vermeidung von Zusammenstößen im syrischen Luftraum. Es seien neun Zivilisten, darunter vier Kinder, getötet worden, berichtet Damaskus.

Vijay Prashad, Is Trump Going to Commit the Next Great American Catastrophe in Syria?, Alternet, 6.4.2017

13 questions raised by Trump’s missile strikes on Syria, Washington Post, 7.4.2017

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