Terror im Irak: Geheimgefängnisse, Vergeltungsaktionen, Morde
Die Führungsspitze Al Qaedas sei getötet worden, so die Schlagzeilen Anfang der Woche. Unter ihnen soll auch der schon häufiger getötete Abu Omar al-Baghdadi sein. Al-Baghdadi wird im Westen als "Emir" des "Islamischen Staates von Irak" geführt, die Dachorganisation al-Qaeda nahestehenden Gruppen im Irak. Doch ob es diesen Typ real gibt ist umstritten (die Bagdader Polizei ist z.B. überzeugt, ihn seit einem Jahr in ihrem Gefängnis zu haben), und wer genau nun getötet wurde, einmal mehr völlig unklar.
So oder so, größere Bedeutung für den Krieg hat die Ermordung der beiden Männer sowenig wie frühere "entscheidende Schläge" gegen al-Qaeda.
Die Meldung kam für Maliki und die Besatzer aber zur rechten Zeit.
So oder so, größere Bedeutung für den Krieg hat die Ermordung der beiden Männer sowenig wie frühere "entscheidende Schläge" gegen al-Qaeda.
Die Meldung kam für Maliki und die Besatzer aber zur rechten Zeit.
Zwei Tage zuvor war, wie die LA Times berichtete, ein Geheimgefängnis auf dem Gelände des früheren Muthanna-Flughafens in Bagdad aufgeflogen, das von Spezialeinheiten betrieben wurde, die dem Ministerpräsidenten Maliki unterstehen. Darin waren 437 Gefangenen in erbärmlichen Zustand gefunden worden. Ein Viertel von ihnen wies Spuren schwerer Folter auf. Ein Gefangener war im Januar an den Folgen von Folter gestorben. (Secret prison revealed in Baghdad - Forces under the office of Prime Minister Maliki held hundreds of Sunni men at the facility. LA Times, 19.4.2010)
Im Gegensatz zum „Schlag gegen Al Qaeda“ fand diese Meldung in westlichen Medien nur ein schwaches Echo.
Die Männer waren im Oktober 2009 bei umfangreichen "Ninive-Mauer Operation" der 2. Division der irakischen Armee in der Provinz um Mosul (Ninewa Wall security campaign) gefangen genommen worden. Die Division steht unter direktem Befehl Malikis, vermutlich waren bei dieser Operation aber auch US-Truppen beteiligt. Offiziell richtete sie sich gegen Al Qaeda, dem Gouverneur der Provinz zufolge wurden aber ebenso einfache Leute mitgenommen, ohne Haftbefehl.
Maliki bestritt in einem Interview, von den Misshandlungen gewusst zu haben, verteidigte aber die Nutzung von Spezialgefängnissen und militärischen Elitetruppen, die nur ihm unterstehen, als notwendig angesichts der prekären Sicherheitsbedingungen im Land. Selbstverständlich versicherte Maliki, alle Mißstände zu beseitigen. Vermutlich ist der Kerker auf dem Muthanna-Flughafen jedoch nur die Spitze des Eisberges. Spezialgefängnisse, zu denen nicht einmal Polizei und Innenministerium Zugang haben, sind geradezu eine Garant für Misshandlungen und Folter. Die aktuelle Empörung zwang Maliki nun immerhin, die Kontrolle über zwei weiteren Internierungslagern abzugeben, die von zwei weiteren Eliteeinheiten von ihm betrieben werden.
Die Enthüllung ist auch ein Schlag gegen Malikis Bemühungen, Bündnispartner für seine Wiederwahl zu finden. Es waren Teams der Menschenrechtsministerin Wijdan Salim, die sich den Zugang erzwangen, der Tipp kam vermutlich aus internen Regierungskreisen. Obwohl die Gefangenen Sunniten waren, verurteilte die Sadr-Bewegung den Vorfall scharf:
„Dieser Skandal ist die Silberkugel, die Malikis Regierung und politische Zukunft beenden wird“ erklärte ihr Sprecher Baha’a Al-Araji der Kuwaitischen Zeitung Al-Dar. Sie forderte ihre inhaftierten Anhänger auf in den Gefängnissen Solidarität mit den Gefangenen in Geheimgefängnissen zu demonstrieren. (The timing of the “secret prison” story, Roads to Iraq, 22.4.2010)
Vergeltungsaktionen
Ein Tag zuvor hatte die Washington Post über eine brutale Vergeltungsaktion von Regierungstruppen berichtet. Bei einem Angriff auf einen Checkpoint in der Nähe eines sunnitischen Dorfes im Westen Bagdads hatten am 24.3. nicht identifizierbare Kämpfer fünf Soldaten erschossen. Die vorwiegend schiitischen Regierungstruppen gingen daraufhin gegen die Dorfbevölkerung vor. Die ersten Opfer der Vergeltungsaktion waren drei junge Brüder, die in ihrem Kleinlaster auf dem Weg zu ihrer nahegelegenen Farm waren. Familienangehörige mussten von weitem mit ansehen, wie die drei misshandelt wurden. Zwei der Brüder wurden dabei getötet, einer überlebte schwerverletzt.
Anschließend wurden die Häuser des Dorfes umstellt und 140 Männer umgehend abgeschleppt. Sie zeigten später den Journalisten ihre offenen Striemen und Blutergüsse, als Beweis für die folgende brutale Misshandlung.
Das Gebiet wurde in der folgenden Woche abgeriegelt, und hunderte weitere Männer festgenommen und auf den Armee-Stützpunkt geschleppt. Einer nach dem anderen wurden unter Schlägen und Elektroschocks verhört. (Violence highlights fears of Iraqi security forces taking over after U.S. leaves, Washington Post, 18.4.2010)
Mordanschlag auf prominenten, sunnitischen Geistlichen
Am 14.April war mit Sheich Ghazi Jabouri ein sehr bekannter und angesehener sunnitischer Geistlicher ermordet worden. Der Ort des Geschehens liegt im überwiegend sunnitischen Adhamiya-Distrikt von Bagdad, eine lange Zeit heftig umkämpften Stadtteil. Nach der Zerschlagung der dortigen, vorwiegend zum Selbstschutz aufgestellten Milizen im Zuge der „Surge“, und dem Einzug überwiegend schiitischer Armee-Einheiten erhielten schiitische Milizen und Todesschwadrone freie Hand. Eine Zeitlang konnte dann eine örtliche, von den USA ausgerüstete Sahwa-(Awakening)-Miliz für etwas Ruhe sorgen. Diese zerfiel jedoch, als die Besatzer die Kontrolle über die Sahwa-Milizen an die Maliki-Regierung übergab. Zahlreiche Führer der Miliz, die von den schiitischen Parteien als verkappte Widerstandskämpfer angesehen werden, wurde verhaftet, ermordet oder flohen. Kurz vor dem Mord an Sheich Jabouri war erneut ein Sahwa-Kommandeur in Adhamiya erschossen worden. Vorige Woche wurde zudem ein Apotheker erschossen und entkam ein Universitätsprofessor nur knapp einem Autobombenanschlag. (Abdu Rahman and Dahr Jamail, Imam Assassination Sparks Fears of Violence, IPS, 20.4.2010)
Zensur
Damit solche Vorfälle möglichst nicht an die Öffentlichkeit gelangen, hat Maliki seit langem begonnen, die Medien an die Kandare zu nehmen. Er ernennt persönlich die Medienräte, die Druck-, Online- und Rundfunk-Lizenzen vergeben dürfen und hat auch die Zensurparagrafen aus der Saddam-Zeit wieder eingeführt (Irak - Eine Art Machtrausch, DER SPIEGEL, 19.10.2009). Diese haben auch westliche Medien schon zu spüren bekommen. So wurde der Guardian gemäß eines Gesetzes dass kritische Artikel über den Premier oder Präsidenten des Landes verbietet, zur Zahlung von 100 Millionen Dinar (ca. 65.000 Euro) verdonnert, weil er sich in einem Artikel kritisch mit dem autokratischen Gehabe Malikis auseinandersetzte. Dem lesenswerten Beitrag zufolge trägt das neue Regime alle Züge eines mörderischen repressiven Polizeistaates. (Six years after Saddam Hussein, Nouri al-Maliki tightens his grip on Iraq, The Guardian, 30.4.2009) Die New York Times und die AP-Redaktion im Irak haben ähnliche Strafbefehle erhalten.
Regelmäßig werden Zeitungen geschlossen, Journalisten und Redakteure verhaftet. Letzte Woche traf es den Chefredakteur der Regierungs- und Besatzungskritischen Zeitung „Aswat Al Iraq“, die auf ihrer Homepage auch kurze Meldungen in Englisch veröffentlicht.
(Newspaper’s editor-in-chief arrested in Baghdad, Aswat Al Iraq, 14.4.2010 )
Ein neues Mediengesetz droht nun den Spielraum, gegen missliebige Berichte und Journalisten vorzugehen noch zu erweitern. (New Iraqi media rules restrictive: rights group, AP News, 12.4.2010)
Im Gegensatz zum „Schlag gegen Al Qaeda“ fand diese Meldung in westlichen Medien nur ein schwaches Echo.
Die Männer waren im Oktober 2009 bei umfangreichen "Ninive-Mauer Operation" der 2. Division der irakischen Armee in der Provinz um Mosul (Ninewa Wall security campaign) gefangen genommen worden. Die Division steht unter direktem Befehl Malikis, vermutlich waren bei dieser Operation aber auch US-Truppen beteiligt. Offiziell richtete sie sich gegen Al Qaeda, dem Gouverneur der Provinz zufolge wurden aber ebenso einfache Leute mitgenommen, ohne Haftbefehl.
Maliki bestritt in einem Interview, von den Misshandlungen gewusst zu haben, verteidigte aber die Nutzung von Spezialgefängnissen und militärischen Elitetruppen, die nur ihm unterstehen, als notwendig angesichts der prekären Sicherheitsbedingungen im Land. Selbstverständlich versicherte Maliki, alle Mißstände zu beseitigen. Vermutlich ist der Kerker auf dem Muthanna-Flughafen jedoch nur die Spitze des Eisberges. Spezialgefängnisse, zu denen nicht einmal Polizei und Innenministerium Zugang haben, sind geradezu eine Garant für Misshandlungen und Folter. Die aktuelle Empörung zwang Maliki nun immerhin, die Kontrolle über zwei weiteren Internierungslagern abzugeben, die von zwei weiteren Eliteeinheiten von ihm betrieben werden.
Die Enthüllung ist auch ein Schlag gegen Malikis Bemühungen, Bündnispartner für seine Wiederwahl zu finden. Es waren Teams der Menschenrechtsministerin Wijdan Salim, die sich den Zugang erzwangen, der Tipp kam vermutlich aus internen Regierungskreisen. Obwohl die Gefangenen Sunniten waren, verurteilte die Sadr-Bewegung den Vorfall scharf:
„Dieser Skandal ist die Silberkugel, die Malikis Regierung und politische Zukunft beenden wird“ erklärte ihr Sprecher Baha’a Al-Araji der Kuwaitischen Zeitung Al-Dar. Sie forderte ihre inhaftierten Anhänger auf in den Gefängnissen Solidarität mit den Gefangenen in Geheimgefängnissen zu demonstrieren. (The timing of the “secret prison” story, Roads to Iraq, 22.4.2010)
Vergeltungsaktionen
Ein Tag zuvor hatte die Washington Post über eine brutale Vergeltungsaktion von Regierungstruppen berichtet. Bei einem Angriff auf einen Checkpoint in der Nähe eines sunnitischen Dorfes im Westen Bagdads hatten am 24.3. nicht identifizierbare Kämpfer fünf Soldaten erschossen. Die vorwiegend schiitischen Regierungstruppen gingen daraufhin gegen die Dorfbevölkerung vor. Die ersten Opfer der Vergeltungsaktion waren drei junge Brüder, die in ihrem Kleinlaster auf dem Weg zu ihrer nahegelegenen Farm waren. Familienangehörige mussten von weitem mit ansehen, wie die drei misshandelt wurden. Zwei der Brüder wurden dabei getötet, einer überlebte schwerverletzt.
Anschließend wurden die Häuser des Dorfes umstellt und 140 Männer umgehend abgeschleppt. Sie zeigten später den Journalisten ihre offenen Striemen und Blutergüsse, als Beweis für die folgende brutale Misshandlung.
Das Gebiet wurde in der folgenden Woche abgeriegelt, und hunderte weitere Männer festgenommen und auf den Armee-Stützpunkt geschleppt. Einer nach dem anderen wurden unter Schlägen und Elektroschocks verhört. (Violence highlights fears of Iraqi security forces taking over after U.S. leaves, Washington Post, 18.4.2010)
Mordanschlag auf prominenten, sunnitischen Geistlichen
Am 14.April war mit Sheich Ghazi Jabouri ein sehr bekannter und angesehener sunnitischer Geistlicher ermordet worden. Der Ort des Geschehens liegt im überwiegend sunnitischen Adhamiya-Distrikt von Bagdad, eine lange Zeit heftig umkämpften Stadtteil. Nach der Zerschlagung der dortigen, vorwiegend zum Selbstschutz aufgestellten Milizen im Zuge der „Surge“, und dem Einzug überwiegend schiitischer Armee-Einheiten erhielten schiitische Milizen und Todesschwadrone freie Hand. Eine Zeitlang konnte dann eine örtliche, von den USA ausgerüstete Sahwa-(Awakening)-Miliz für etwas Ruhe sorgen. Diese zerfiel jedoch, als die Besatzer die Kontrolle über die Sahwa-Milizen an die Maliki-Regierung übergab. Zahlreiche Führer der Miliz, die von den schiitischen Parteien als verkappte Widerstandskämpfer angesehen werden, wurde verhaftet, ermordet oder flohen. Kurz vor dem Mord an Sheich Jabouri war erneut ein Sahwa-Kommandeur in Adhamiya erschossen worden. Vorige Woche wurde zudem ein Apotheker erschossen und entkam ein Universitätsprofessor nur knapp einem Autobombenanschlag. (Abdu Rahman and Dahr Jamail, Imam Assassination Sparks Fears of Violence, IPS, 20.4.2010)
Zensur
Damit solche Vorfälle möglichst nicht an die Öffentlichkeit gelangen, hat Maliki seit langem begonnen, die Medien an die Kandare zu nehmen. Er ernennt persönlich die Medienräte, die Druck-, Online- und Rundfunk-Lizenzen vergeben dürfen und hat auch die Zensurparagrafen aus der Saddam-Zeit wieder eingeführt (Irak - Eine Art Machtrausch, DER SPIEGEL, 19.10.2009). Diese haben auch westliche Medien schon zu spüren bekommen. So wurde der Guardian gemäß eines Gesetzes dass kritische Artikel über den Premier oder Präsidenten des Landes verbietet, zur Zahlung von 100 Millionen Dinar (ca. 65.000 Euro) verdonnert, weil er sich in einem Artikel kritisch mit dem autokratischen Gehabe Malikis auseinandersetzte. Dem lesenswerten Beitrag zufolge trägt das neue Regime alle Züge eines mörderischen repressiven Polizeistaates. (Six years after Saddam Hussein, Nouri al-Maliki tightens his grip on Iraq, The Guardian, 30.4.2009) Die New York Times und die AP-Redaktion im Irak haben ähnliche Strafbefehle erhalten.
Regelmäßig werden Zeitungen geschlossen, Journalisten und Redakteure verhaftet. Letzte Woche traf es den Chefredakteur der Regierungs- und Besatzungskritischen Zeitung „Aswat Al Iraq“, die auf ihrer Homepage auch kurze Meldungen in Englisch veröffentlicht.
(Newspaper’s editor-in-chief arrested in Baghdad, Aswat Al Iraq, 14.4.2010 )
Ein neues Mediengesetz droht nun den Spielraum, gegen missliebige Berichte und Journalisten vorzugehen noch zu erweitern. (New Iraqi media rules restrictive: rights group, AP News, 12.4.2010)
JGuilliard - Freitag, 23. April 2010
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