Neue Koalitionen, alte Gesichter im besetzten Irak
Kommentar in: junge Welt 29.03.2010
(Der Platz für den Kommentar war ziemlich knapp. Ausführlicheres dazu kommt noch, bzw. findet sich bereits unter den Überlegungen vom Montag oder den aktuelleren Einträgen.)
(Der Platz für den Kommentar war ziemlich knapp. Ausführlicheres dazu kommt noch, bzw. findet sich bereits unter den Überlegungen vom Montag oder den aktuelleren Einträgen.)
Alte Gesichter
Neue Koalitionen im besetzten Irak
Von Joachim Guilliard
Die langwierige Auszählung der Stimmen im Irak ist beendet. Für viele überraschend wurden der oppositionellen Al-Irakija-Liste die meisten Sitze zugesprochen. Ein Beweis für die Fairneß der Wahlen ist dies nicht. Sie fanden erneut unter den Bedingungen einer brutalen Besatzungsherrschaft statt, dem Ausschluß von Kandidaten, Massenverhaftungen und der Ermordung politischer Gegner. Al-Irakia gewann nicht wegen, sondern trotz Repression und Wahlmanipulation. Offensichtlich hat dies einen großen Teil der Gegner des Besatzungsregimes dazu gebracht, sich hinter die aussichtsreichste Wahlallianz zu stellen.
Die westlichen Medien personalisieren gerne, und so ist in der Regel nur vom Sieg Ijad Allawis die Rede. Gewählt wurden aber vor allem die nationalistischen, überwiegend säkularen Gruppen und Persönlichkeiten der Liste. Auf sich alleine gestellt wäre der frühere Interimspremier und CIA-Mitarbeiter Allawi für die meisten kaum attraktiver gewesen als 2005. Damals hatte er im Bündnis mit der irakischen KP nur 8,2 Prozent der Stimmen erringen können.
Die praktische Bedeutung des Wahlausgangs wird stark übertrieben. »Irak steht vor einem Machtwechsel« schlagzeilte etwa die Deutsche Welle. Doch egal, wer in ein paar Monaten neuer Regierungschef werden wird, die Macht liegt immer noch in den Händen der Besatzer.
Tatsächlich hat Allawi wenig Chancen, eine Mehrheit zusammenzubekommen. Auch wenn die Regierungsparteien viele Federn lassen mußten, wird es wahrscheinlich zu einer – etwas erweiterten – Neuauflage der jetzigen Koalition kurdischer und schiitischer Parteien kommen. Nur die Chancen, daß Nuri Al-Maliki selbst wieder Ministerpräsident wird, sind durch seine Niederlage gesunken.
Eine positive Bedeutung dieser Wahl liegt allein in der deutlichen Absage an eine religiöse, konfessionell ausgerichtete Politik und in einem klaren Votum für einen einheitlichen, zentral regierten und unabhängigen Staat. Al-Irakia hat seine Stimmen keinesfalls nur in den sunnitischen Provinzen gewonnen, sondern z.B. auch in Bagdad, wo die große Mehrheit der schiitischen Konfession angehört, traditionell aber überwiegend laizistisch ist.
Ein Bündnis entschiedener Besatzungsgegner mit dem einstigen engen US-Verbündeten Allawi, der als Interimspremier u.a. für die Angriffe auf Falludscha mitverantwortlich ist, mag prinzipienlos erscheinen, wie die Teilnahme an Wahlen unter Besatzung generell. Es zeigt aber auch, daß ein großer Teil der Iraker fähig ist, in extremen Situationen schwierige Kompromisse zu schließen. In diesem Sinn könnte der Wahlerfolg ein Schritt bei der politischen Einigung der Opposition gegen die Besatzung sein. Ohne eine solche Einigung wird diese nicht zu beenden sein.
Neue Koalitionen im besetzten Irak
Von Joachim Guilliard
Die langwierige Auszählung der Stimmen im Irak ist beendet. Für viele überraschend wurden der oppositionellen Al-Irakija-Liste die meisten Sitze zugesprochen. Ein Beweis für die Fairneß der Wahlen ist dies nicht. Sie fanden erneut unter den Bedingungen einer brutalen Besatzungsherrschaft statt, dem Ausschluß von Kandidaten, Massenverhaftungen und der Ermordung politischer Gegner. Al-Irakia gewann nicht wegen, sondern trotz Repression und Wahlmanipulation. Offensichtlich hat dies einen großen Teil der Gegner des Besatzungsregimes dazu gebracht, sich hinter die aussichtsreichste Wahlallianz zu stellen.
Die westlichen Medien personalisieren gerne, und so ist in der Regel nur vom Sieg Ijad Allawis die Rede. Gewählt wurden aber vor allem die nationalistischen, überwiegend säkularen Gruppen und Persönlichkeiten der Liste. Auf sich alleine gestellt wäre der frühere Interimspremier und CIA-Mitarbeiter Allawi für die meisten kaum attraktiver gewesen als 2005. Damals hatte er im Bündnis mit der irakischen KP nur 8,2 Prozent der Stimmen erringen können.
Die praktische Bedeutung des Wahlausgangs wird stark übertrieben. »Irak steht vor einem Machtwechsel« schlagzeilte etwa die Deutsche Welle. Doch egal, wer in ein paar Monaten neuer Regierungschef werden wird, die Macht liegt immer noch in den Händen der Besatzer.
Tatsächlich hat Allawi wenig Chancen, eine Mehrheit zusammenzubekommen. Auch wenn die Regierungsparteien viele Federn lassen mußten, wird es wahrscheinlich zu einer – etwas erweiterten – Neuauflage der jetzigen Koalition kurdischer und schiitischer Parteien kommen. Nur die Chancen, daß Nuri Al-Maliki selbst wieder Ministerpräsident wird, sind durch seine Niederlage gesunken.
Eine positive Bedeutung dieser Wahl liegt allein in der deutlichen Absage an eine religiöse, konfessionell ausgerichtete Politik und in einem klaren Votum für einen einheitlichen, zentral regierten und unabhängigen Staat. Al-Irakia hat seine Stimmen keinesfalls nur in den sunnitischen Provinzen gewonnen, sondern z.B. auch in Bagdad, wo die große Mehrheit der schiitischen Konfession angehört, traditionell aber überwiegend laizistisch ist.
Ein Bündnis entschiedener Besatzungsgegner mit dem einstigen engen US-Verbündeten Allawi, der als Interimspremier u.a. für die Angriffe auf Falludscha mitverantwortlich ist, mag prinzipienlos erscheinen, wie die Teilnahme an Wahlen unter Besatzung generell. Es zeigt aber auch, daß ein großer Teil der Iraker fähig ist, in extremen Situationen schwierige Kompromisse zu schließen. In diesem Sinn könnte der Wahlerfolg ein Schritt bei der politischen Einigung der Opposition gegen die Besatzung sein. Ohne eine solche Einigung wird diese nicht zu beenden sein.
JGuilliard - Sonntag, 28. März 2010
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