"Zerstörter Irak - Zukunft des Irak?" - Rezension

"Zerstörter Irak - Zukunft des Irak? - Der Krieg, die Vereinten Nationen und die Probleme eines Neubeginns": ein Sammelband zur Geschichte, Gegenwart und Zukunft des Irak.

-Zerstoerter_Irak_Zukunft_Irak_Cover-s(Eine kürzere Version der Rezension erschien in junge Welt 17.08.2009: "Regionalmacht zerstört" )

Krieg und Besatzung im Irak sind seit langem aus der öffentlichen Wahrnehmung verschwunden. Obwohl sie eine der größten humanitären Katastrophen der letzten Jahrzehnte verursachten, über eine Million Menschenleben forderten und fünf Millionen zu Flüchtlingen machten, blieb auch zuvor schon die kritische wissenschaftliche Auseinandersetzung mit der Kriegs- und Besatzungspolitik äußerst rar. So ist es nur zu begrüßen, dass Johannes M. Becker und Herbert Wulf einen Band zusammenstellten, der sich eingehend mit Geschichte, Gegenwart und Perspektiven des geschundenen Landes befasst. Die Beiträge, die das Thema unter sehr verschiedenen Blickwinkel beleuchten, zeigen auch deutlich, wie wenig die verschiedenen Aspekte – seien es die Sanktionen, das Versagen der UNO oder die Rolle der Medien – bisher wirklich aufgearbeitet wurden.
 
Einen guten Überblick über den Krieg und die aktuelle Lage verschafft die von Johannes M. Becker im ersten Kapitel gezogene „Bilanz eines katastrophalen Krieges“. Kurz aber eindringlich skizziert er die Folgen von Krieg und Besatzung: den Zusammenbruch der Versorgung, den ausbleibenden Wiederaufbau, die maßlose Bereicherung US-amerikanischer und britischer Konzerne und nicht zuletzt die eskalierende Gewalt von Besatzungstruppen und irakischer Milizen. Schlüssig führt Becker die Triebkräfte des Krieges auf das Streben nach Kontrolle über die irakischen Ölressourcen und dem Aufbau permanenter Militärbasen im Herzen der strategisch so bedeutenden Region zurück. Auch auf den Widerstand geht der Marburger Politikwissenschaftler ein. Dieser entwickelte sich rasch und effektiv gegen die Besatzung, seine Zusammensetzung und Zielsetzung blieben im Westen aber weitgehend unbekannt. Den optimistischen Berichten, die die USA mittlerweile auf der Siegerstraße sehen, stellt er die nüchterne Einschätzung von Lothar Rühl, Militärexperte der FAZ und ehemalige Staatssekretär im Bundesverteidigungsministerium entgegen. Dieser sieht aktuell nur eine vorübergehende Beruhigung, die typisch für Befreiungskriege ist. „In allen diesen Krisen gab es Abschwächungen, die etwas Ruhe brachten und positive Aussichten eröffneten, die aber nur Übergangszustände waren, Übergangszustände auf dem Weg in die Niederlage.“

Traditionelle Konflikte?

Wertvolle Einblicke in die irakische Gesellschaft bietet der Beitrag von Walter Sommerfeld. Er tritt den „simplifizierenden Erklärungsmuster“ entgegen, die in westlichen Medien vorherrschen, wie z.B. den verbreiteten Glauben an einen „traditionellen Konflikt zwischen Sunniten und Schiiten“. Der Marburger Altorientalist, der den Irak aus vielen, langen Studienaufenthalten sehr gut kennt, setzt dem einen Abriss der grundlegenden Strukturen der irakischen Gesellschaft entgegen, die seiner Ansicht nach für das Verständnis der konfliktreichen Geschichte des Landes wie auch der gegenwärtigen Situation unerlässlich sind.
Viele Politiker und „Experten“ beschreiben beispielsweise – oft aus durchsichtigem Interesse – den heutigen Irak als rein künstliches Gebilde. (Damit begründete z.B. der heutige US-Vizepräsident Joe Biden seinen Teilungsplan für den Irak.) Doch auch wenn die Grenzen des 1919 aus drei osmanischen Provinzen gebildeten Staates zum Teil willkürlich gezogenen wurden, begann sich, so Sommerfeld, bereits mit dem großen kollektiven Aufstand von 1920 eine irakische nationalstaatliche Identität herauszubilden. Gleichzeit behielten allerdings die traditional stark ausgeprägten Stammesstrukturen ihre große Bedeutung, ebenso wie die sozialen Gegensätze zwischen Stadt und Land.
Die unter den Osmanen praktizierte Benachteiligung der Schiiten wurde zwar nach und nach aufgehoben und spielte unter dem Baath-Regime, wo Schiiten in den führenden Positionen gut repräsentiert waren, praktisch keine Rolle mehr. Die sozialen Differenzen zwischen der überwiegend ärmeren, ländlichen oder in die Vorstädte abgewanderte schiitischen Bevölkerung und den vorwiegend sunnitischen Ober- und Mittelschichten blieben jedoch.
Selbstverständlich, so Sommerfeld, bilden weder Schiiten noch Sunniten einheitliche Blöcke, die sich in traditioneller Feindschaft gegenüberstehen. In den großen Städten war die Konfession vor 2003 Privatsache gewesen, um die man sich wenig kümmerte und das gewaltsame Vorgehen der Baath-Regierung im Südirak richtete sich allein gegen die schiitisch-islamistische Untergrundbewegung, die sich nach dem Sieg der islamischen Revolution im Iran 1979 herausgebildet hatte.

Die jüngere irakische Geschichte ist zum einen geprägt durch die gewaltsamen Machtkämpfe der konkurrierenden irakischen Kräfte und Ideologien nach dem Sturz der Monarchie 1958. Zum anderen führt Sommerfeld jedoch auch gewichtige Faktoren auf, die für eine Konsolidierung des irakischen Staates und die Integration der Gesellschaft sorgten. Dazu zählen die durchaus erfolgreiche Umsetzung von Entwicklungsprojekten nach der Nationalisierung von Schlüsselindustrien, der wirtschaftlicher Aufschwung in den 70er und 80er Jahren und der durch die Öleinahmen finanzierte Aufbau eines vorbildlichen Sozialsystems.

Die Ursachen der katastrophalen Lage und der beispiellosen Gewalteskalation im Irak sieht er nicht in erster Linie in alten, innerirakischen Konflikten. Er führt sie vielmehr zum „großen Teil auf eine Serie von Fehleinschätzungen, Versäumnissen und falschen Entscheidungen der Besatzungsmächte“ zurück: u.a. die „abrupte Auflösung von Polizei und Armee“ unmittelbar nach der Invasion, die „Tolerierung der Zerstörung der staatlichen Infrastruktur durch Plünderungen und Vandalismus“, eine „übereilte Wirtschaftsreform“ und die Implementierung einer Machtkämpfe begünstigenden politischen Neuordnung.
Unterbelichtet bleibt dabei leider die unmittelbare militärische Gewalt der Besatzungstruppen, die von ihm nur als „rüdes, respektloses, gewalttätiges Verhalten“ charakterisiert wird, wie auch der von den Besatzern und ihren irakischen Verbündeten geführte schmutzige Krieg, der erheblich zur Eskalation innerirakischen Gewalt beitrug. Da eines der wesentlichen Ziele von Präsident George W. Bush und seiner der Regierung darin bestand, den Irak als Regionalmacht dauerhaft auszuschalten, waren viele der geschilderten Maßnahmen der Besatzer auch nicht einfach wie er und auch Johannes M. Becker mutmaßen, vermeidbare „Fehler“, sondern eine konsequente Umsetzung dieses Vorhabens.

Gescheiterte UNO

Weder politisch noch juristisch aufgearbeitet, schwärt die Sanktionspolitik der Vereinten Nationen gegen den Irak zwischen 1990 und 2003 wie eine unverheilte Wunde weiter. Hans-Christoph von Sponeck, als ehemaliger UN-Koordinator für die humanitäre Hilfe im Zweistromland einer der besten Kenner der Vorgänge, zieht gemeinsam mit dem Politikwissenschaftler Tareq Y. Ismael die wesentlichen Lehren daraus. Ihre Bilanz ist eindeutig: Da die allumfassenden Sanktionen trotz der rasch sichtbaren, katastrophalen Auswirkungen für die irakische Bevölkerung Jahr für Jahr weitergingen und das Leiden der Menschen auch durch das Programm »Öl für Nahrungsmittel« nicht entscheidend abgemildert werden konnte, ist die UNO als Garant des Völkerrechts völlig gescheitert.
[Sie fassen ihre Kritik in 10 Punkten zusammen. Dazu zählen: die fehlende Überwachung der Auswirkungen der allumfassenden Sanktionen durch den UN-Sicherheitsrat, obwohl diese jeden Aspekt des Lebens betrafen und sich die menschliche Katastrophe rasch abzeichnete; Die extreme Bürokratisierung des Management der Sanktionen und das unkoordinierte, zusammenhanglose Nebeneinanderherwerkeln verschiedener UN-Bereiche, die die Situation immens verschärften. Der Nettowert der „humanitären“ Hilfsgüter, die während des sechseinhalbjährigen „Öl-für-Nahrung-Programms“ tatsächlich im Irak eintrafen, summierte sich pro Tag und Kopf gerade einmal auf 51 US-Cents. Dennoch wurde der Irak in dieser Zeit zu Schadensersatzzahlungen in Höhe von 17 Milliarden US-Dollar gezwungen.]

Durch das Elend, dass sie verursachten, verstießen die Sanktionen nach Ansicht der beiden Autoren „in beispiellosem Ausmaß gegen geltendes Völkerrecht, so zum Beispiel gegen die UN-Charta, das Abkommen für soziale, wirtschaftliche und kulturelle Rechte, die Konvention über die Rechte des Kindes und die Völkermord-Konvention“.
Sponeck und Ismael sind überzeugt, dass dieses Elend beabsichtigt war: „Im nachhinein betrachtet müssen wohl die Veränderung der Regierung und die Auflösung der irakischen Gesellschaft die endgültigen Ziele der Sanktionen gewesen sein, denn sie ließen den Irak – den einzigen arabischen Kandidat für eine Führungsrolle – in einem heillosen Durcheinander zurück.“
Die genaue Zahl der Opfer der Sanktionen sei umstritten, nicht jedoch die Tatsache dass die Sanktionen einer erheblichen Zahl von IrakerInnen das Leben kostete. Das „bringt die angloamerikanische Umsetzung der Sanktionen sehr nahe an Völkermord und Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wie im Statut des Internationalen Gerichtshofes beschrieben.“ Es sei, wie der permanente Vertreter von Malaysia bei der UNO, Agam Hasmy, einmal erklärte, eine furchtbare Ironie, „dass die Politik, die für die Entwaffnung des Irak sorgen sollte, nun selbst zu einer Massenvernichtungswaffe geworden ist.“

Da keine offizielle Institution diese mutmaßlichen Verbrechen untersuchte, blieb es, so die beiden Autoren, einer von engagierten Bürgern getragenen Tribunal-Bewegung vorbehalten „einen Kontrapunkt zu der Tendenz zur Missachtung des Völkerrechts“ zu setzen. An dieser weltweiten, sich an den Russel-Tribunalen gegen den Vietnamkrieg orientierenden Bewegung, war v. Sponeck persönlich beteiligt. Sie fand nach einer Reihe von Anhörungen in aller Welt 2005 im „Welt-Tribunal über den Irak“ in Istanbul ihren kulminierenden Abschluss.

Feindbilder

Lehrreich auch für zukünftige Konflikte ist die Analyse des Marburger Psychologen Gert Sommer, der eingehend die ausgeprägte und wirksame Produktion von Feindbildern im Vorfeld der beiden US-geführten Kriege untersuchte. Dazu zählt nicht nur die Dämonisierung Saddam Husseins, der in dem Moment „zum ‚neuen Hitler’“, wurde, „als er sich als radikaler Nationalist entpuppte“, der die Kontrolle der Energiereserven des Golfs nicht den USA überlassen wollte. Selbst die Friedensbewegung oder das „alte Europa“ wurden zu Feindbildern. Korrespondierend dazu wurde das Selbstbild der USA ausgesprochen überhöht und eine moralische Überlegenheit postuliert und oft (pseudo)-religiös untermauert. Besonders deutlich wird der Propagandacharakter, wenn Sommer den fabrizierten Bildern die US-amerikanische Strategiepapiere gegenüberstellt, die die tatsächlichen Interessen deutlich machen.
[Ganz unbeeinflusst von der einseitigen Berichterstattung blieb auch Sommer selbst nicht. So führt er das viel positivere Bild Saddam Husseins unter Arabern allein auf arabischen Nationalstolz zurück und darauf, dass er sich den westlichen Mächten entgegenstellte. Er übersieht die ganz realen sozialen Errungenschaften, die den Irak bis Anfang der 1990er Jahre für die arabischen Massen attraktiv machten.]

Menschenrechtsverstöße

Feindbilder dürften auch einen wesentlichen Beitrag zu den massiven Menschenrechtsverstößen während des Krieges und der Besatzung geleistet haben, über die Sommer in seinem zweiten Beitrag einen sehr guten Überblick gibt. Ausgehend vom Menschenrechtskonzept der UNO stellt er ausgewählten Rechten die Realität im Besetzten Land gegenüber. Beispielsweise sind Angriffe der Besatzungstruppen auf irakische Städte, die Bombardierung ganzer Stadtteile, die Abriegelung von der Wasser- und Stromversorgung der als „Salvador-Option“ bekannt gewordene schmutzige Krieg gegen die Opposition, ganz klar sehr schwerwiegende Verstöße gegen das grundlegende Recht auf Leben. Weitere Beispiele reichen von den eklatanten Verstößen gegen das Verbot von Folter und willkürlicher Verhaftung bis hin zur Missachtung des Rechts auf Verfügung über die eigenen Ressourcen. Im Unterschied zur gängigen Berichterstattung lässt er keinen Zweifel daran, dass im Wesentlichen die Besatzer selbst für diese Menschenrechtsverstöße, bzw. Verbrechen verantwortlich sind. Während die westlichen Staaten gerne Menschenrechtsverletzungen anderer Länder anprangern, wurde keiner dieser Verstöße bisher gerichtlich untersucht wurden.

Söldnerunwesen

Ein weiteres wichtiges Thema, dass im Irak eine enorme Bedeutung erhielt ist die Privatisierung des Krieges. Diesem widmet sich Herbert Wulf im dritten Kapitel. Nach manchen Schätzungen überflügelte die Zahl der Mitarbeiter privater Militärfirmen längst die Zahl der zeitweilig 160.000 US-Soldaten im Irak. Rund 180.000 Personen, viele von ihnen bewaffnet, sollen aktuell für Privatfirmen im Auftrag des US-Verteidigungs- und des Außenministeriums im Irak tätig sein und werden zunehmend auch in Kampfhandlungen eingesetzt. Immer wieder sind sie in Skandale, Schießereien und schwere Menschenrechtsverletzungen verwickelt. Schuld daran ist, so Wulf, vor allem die mangelnde Kontrolle dieser Firmen. Er listet die gängigen Vorschläge auf, wie der Einsatz von Militärfirmen, d.h. Söldner besser reguliert werden könne. Wirklich überzeugend ist keiner. Letztlich verhindern, so Wulf, die hinter der Privatisierung des Krieges stehenden ideologischen Konzepte und wirtschaftlichen Interessen ohnehin eine wirksame Kontrolle.

Als Beitrag zur Vorgeschichte der US-Invasion beschreibt derselbe Autor in einem weiteren Beitrag die Abrüstungsbemühungen der UNO und die Suche der UN-Inspektoren nach den angeblich versteckten Massenvernichtungswaffen, mit denen die USA ihren Krieg rechtfertigten. Da er trotz fehlender Belege dafür den Krieg nicht verhindern konnte, habe der Sicherheitsrat, so sein Fazit, als höchstes Organ für Frieden und Sicherheit in der Welt versagt.

Rolle der Medien

Drei Kapitel widmen sich unmittelbar der Rolle der Medien im Irakkrieg gewidmet. Die Autorinnen und Autoren Seref Ates, Jörg Becker, Richard Brunhart, Hüseyin Cicek, Thomas Oberhofer, Arzu Onay-Ok und Gülsel Taskara untersuchen exemplarisch, wie ausgewählte deutsche und türkische Zeitungen die Vorbereitungen zum US-britischen Angriff sowie den Krieg im Irak wahrgenommen und kommuniziert haben. Andréa Eleonore Vermeer beurteilt die Kriegsberichterstattung des öffentlich-rechtlichen Fernsehens in Deutschland. Schließlich bewertet Julia Sommerhäuser die Vor- und Nachteile einer neuen Form der Kriegsberichterstattung, die War-Blogs – Webseiten, in denen tagebuchähnlich aus persönlicher Sicht über Erlebnisse und Ereignisse berichtet wird.

Perspektiven

Etwas widersprüchlich und dem Mainstream der Berichterstattung über den Irak verhaftet, ist der Beitrag von Jochen Hippler zur sogenannten Nachkriegszeit. Er gibt einerseits einen sehr guten Überblick über die wirtschaftliche Situation unter Besatzung und die gesellschaftlichen Auswirkungen. In seiner Analyse erweckt der Autor jedoch den Eindruck, die USA wären mit den besten Absichten im Irak einmarschiert und seien dann durch schlechte Vorbereitung in den Schlamassel geraten. [Er macht zwar die Regierung in Washington für die verheerende Situation verantwortlich, in der sich der Irak jetzt befindet und „die von politischer Fragmentierung, wirtschaftlicher Not, gewaltsamem Widerstand und Bürgerkrieg gekennzeichnet“ sei. Er glaubt aber, dass die USA das Land durch eine kluge Politik des wirtschaftlichen und sozialen Wiederaufbaus nach der Invasion das Land hätten befrieden können, das seiner Meinung nach jetzt zu einem Zentrum terroristischer Aktivität wurde. An die Möglichkeit, dass die Kriegsziele genau einer solchen „klugen Politik“ entgegenstanden, denkt er nicht, sowenig wie daran, dass eine gewaltsame Besatzung stets zu einem militärischen Widerstand führte.]

Die Verwicklungen des Irak in die jüngsten Konflikte und Kriege im Mittleren Osten, so schlussfolgert Mohssen Massarrat, seien symptomatisch für die Vielschichtigkeit von Konflikten in dieser sensiblen Region. Um zu verhindern, dass die Region mit ihren zahlreichen Konflikten – nicht nur im Irak – in den Abgrund stürzt, bleibt seiner Ansicht nach keine andere Wahl, als die Konfliktformationen in ihrer Gesamtheit anzupacken und im Rahmen einer regionalen Konferenz für Sicherheit und Zusammenarbeit den Mittleren und Nahen Osten (KSZMNO) einzubringen. Anhand einer Reihe von Beispielen zeigt er die vielfältigen gemeinsamen Interessen der Länder in der Region, die erhebliche „Kooperationspotentiale“ bilden und Grundlage für ein politisches Zusammengehen sein könnten: so im Bereich der Wirtschaft, dem Ressourcen- und Umweltschutz, dem Ausbau erneuerbarer Energiequellen und bei Kultur und Bildung.

So vernünftig es klingt, hängt das Konzept dennoch in der Luft: denn weitgehend unberücksichtigt bleibt die herausragende Bedeutung der Region für die USA und die mächtigen EU-Staaten. Obwohl für die Konflikte und Kriege der letzten Jahrzehnte maßgeblich verantwortlich, spielen diese Staaten in seinen Darstellungen kaum eine Rolle. Solange sich in den imperialistischen Staaten selbst jedoch nichts Grundlegendes ändert, werden diese auch weiterhin ihre überragende politische und militärische Macht für die Durchsetzung der eigenen Interessen dort einsetzen.

An dieser Stelle, im Perspektiven-Teil des Buches, vermisst man konkrete Vorschläge für einen Ausweg aus der irakischen Misere, die es durchaus sowohl aus den Kreisen der irakischen Opposition wie auch unabhängiger Experten seit längerem gibt. Eine irakische Sicht auf die Perspektiven fehlt völlig.

Dies schmälert den guten Gesamteindruck des Bandes jedoch nicht wesentlich. Er bietet fraglos eine Fülle wertvoller Hintergrundinformationen und Analysen, die eine wichtige Gegenposition zur offiziellen Darstellung des fast zweijahrzehntelangen Konfliktes darstellen.

Johannes M. Becker, Herbert Wulf (Hg.) Zerstörter Irak - Zukunft des Irak? – Der Krieg, die Vereinten Nationen und die Probleme eines Neubeginns. Reihe: Schriftenreihe zur Konfliktforschung. Bd. 24, 2008, 296 S., 24,90 Euro (ISBN 978-3-8258-1200-3)

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