Iran und die Wahlen - Ein kritischer Blick auf virulente, anonyme "Wahrheiten"

Informationen über die "tatsächlichen" Wahlergebnissen, die angeblich von anonymen Mitarbeitern aus dem Innenministerium herausgeschleust wurden, trugen unmittelbar nach den Wahlen maßgeblich zur Mobilisierung gegen den "Wahlbetrug" bei. Auch nachdem mit der Veröffentlichung der Auszählergebnisse aller Urnen eine schlichte Fälschung durch Bekanntgabe von Fantasiezahlen als ausgeschlossen gelten kann, sind diese "Insiderinformationen" für viele immer noch der zentrale Beleg für den Wahlbetrug, so z.B. auch für Mohssen Massarrat in seinem jüngsten Artikel in der Wochenzeitschrift FREITAG (Die Theokratie gerät ins Wanken - hier entdeckt er sogar ein Apartheidsystem im heutigen Iran).

Chavi Dehdarian sah sich daher diese Meldungen anonymer Insider und ihre Funktion genauer an und schickte mir seine Analyse zur Info zu. Mit seinem Einverständnis dokumentiere ich sie im folgenden als Gastkommentar. (Er kam 1975 aus dem Iran nach Deutschland, lebt in Backnang bei Stuttgart und ist dort in der Friedensbewegung aktiv.)
(s. dazu auch "Verwirrung mit Zahlen aus anonymer Quelle" im Tagebuch Iran der Arbeiterfotografie)
 

 

Iran und die Wahlen

Über die Wahlen im Iran sind viele Veröffentlichungen erschienen, mit deren Hilfe versucht wurde, die Ergebnisse der Wahlen infrage zustellen und einen Wahlbetrug zu beweisen

Einer diese Beweise ist eine von anonymen Insidern veröffentlichte „Mitteilung des Innenministeriums“, die angeblich nur an das Oberhaupt der Islamischen Republik Ayatollah Khamenei gerichtet war. Indem sie übers Internet rund um den Globus verbreitet wurde trug sie auf einmalige Weise zu den Auseinandersetzungen nach den Wahlen bei.

In dieser Mitteilung wird dem Oberhaupt mitgeteilt, dass die abgegebenen Stimmen gegen seinen Wunschkandidaten, d.h. Ahmadinedschad, sprechen und Mussawi die Wahlen gewonnen habe. Sie verbreitete sich kurz nach der Auszählung der Stimmen rasch durch unsere schnelle Kommunikationswelt und führte dazu, dass Mussawis Anhänger im In- und Ausland begannen, den Sieg ihres Kandidaten zu feiern.

Inzwischen werden die Angaben dieses Dokumentes auch von linken und bekannten Persönlichkeiten, wie Prof. Mohssen Massarrat (wie in seinem Rundschreiben vom 22.Juni) benutzt, um nachzuweisen, dass die Wahlen im Iran gefälscht seien und den Wahlsieg von Ahmadinedschad in Frage zu stellen-

Damit wir über dieses „Insider-Schreiben“ diskutieren können, möchte ich es zuerst aus dem Persischen in die Deutsche-Sprache übersetzen. Die Mitteilung, die ich auch übers Internet erhalten habe, ist am Ende meines Schreibens als Faksimile angehängt. Zudem, für die die mit den persischen Zahlen nicht vertraut sind, eine Tabelle mit den persischen Zahlen und ihre deutsche Entsprechung.

Die Übersetzung lautet wie folgt:

 Allah

 Nummer __________     Die Islamischen Republik Iran       Der Innenminister

Datum 13.6.2009       Das Innenministerium

An das geehrte Oberhaupt Ayatollah Khamenei

Gott sei mit ihnen [Salam Alikum]

Da Sie über den Ausgang der zehnten Wahl des Präsidenten der Republik besorgt sind und unbedingt möchten, dass Herr Dr. Mahmud Ahmadinedschad in dieser kritischen Zeit Präsident der Republik bleibt , haben wir alles unternommen, damit der Wahlausgang zu Gunsten der Revolution und des Systems bekannt gegeben wird.

Falls es nach Bekanntgabe des Wahlergebnisses zu Unruhen kommen sollte, so haben wir die notwendigen Maßnahmen getroffen.

Die Führer der Parteien sowie die Kandidaten des Präsidenten sind unter Kontrolle.

Aber zu Ihrer Kenntnis geben wir Ihnen den tatsächlichen Wahlausgang wie folgt bekannt:

Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen:       42.026.078
Mir Hussein Mussawi Khamene     19.075.623
Mehdi Karrubi           13.387.104
Mahmud Ahmadinedschad    5.698.417
Muhsene Rezai     3.754.218
Ungültige Stimmen     38.716

 

Der Innenminister

Im Auftrag (Unterschrift)                             Kopie (keine)

Meine kritische Betrachtung über dieses „Insider-Schreiben“ ist folgende;

  1. Ich bin der Meinung dass eine so wichtige Mitteilung vom Innenminister selbst und nicht nur in seinem Auftrag unterschrieben sein sollte.
  2. Eine so wichtige Mitteilung würde nicht ohne Vorgangsnummer und Kopie angefertigt. (Siehe unten die Kopie: ganz oben links ist keine Nummer, sondern nur ein Strich und ganz unten rechts steht „keine Kopie des Dokument vorhanden“.)
  3. Bei der Addition der einzelnen angegebenen Stimmen fällt auf, dass die Summe der gesamten abgegebenen Stimmen von 42.026.078 nicht mit der Summe der Stimmen der Kandidaten – 41.954.078 – übereinstimmt. Die Differenz zwischen den beiden Zahlen beträgt 72000 Stimmen.
    Ich denke bei einem so wichtigen Schreiben sollten die Zahlen wenigstens in sich stimmen.

Iraner, die mit der Wortwahl von Schreiben an eine so hohe Persönlichkeit vertraut sind, werden zudem sofort merken, dass hier etwas nicht stimmt, da man den Text anders formulieren würde.

Nun zum Rundschreiben von Herrn Prof. Mohssen Massarrat vom 22.Juni (1), in dem er Zweifel am Wahlbetrug entgegentritt und dazu, wie oben erwähnt, diese „Insider-Veröffentlichung“ heranzieht. Hier lesen wir folgendes:

Tatort Innenministerium
... Zunächst einmal Fakten und Quellen zu tatsächlichen Wahlergebnissen: Insider aus dem iran. Innenministerium haben anonym folgende detaillierte Angaben zu den Wahlen am 12. Juni 2009 im Iran veröffentlicht:

Mussawi: 19.075.623 (45,38 %)
Karrubi: 13.378.109 (31,82 %)
Ahmadinedschad: 5.698.417 (13,55 %)
Rezai: 3.754.218 (8,92 %)
Ungültige Stimmen: 137.816 (0,33 %)
Abgegebene Stimmen: 42.044.178 (100 %)
Stimmberechtigte: 49.322.412    

Vergleicht man diese Zahlen mit den Zahlen des ersten „Insider Schreibens“ so stellt man fest, dass nur bei 3 Kandidaten: Mussawi, Ahmadinedschad und Rezai die Stimmenzahlen übereinstimmen. Die ungültigen Stimmen werden in Massarrats Text mit 137.816 angegeben, im „Insider Dokument“ mit 38.716. Herr Karrubi hat hier statt 13.387.104 nur noch 13.378.109 Stimmen. Damit stimmt allerdings hier die Gesamtzahl der abgegebenen Stimmen mit der Summe der vier Kandidaten plus den ungültigen Stimmen überein.

Die britische Zeitung The Guardian nannte in einem Artikel vom 15.Juni 2009 exakt die gleichen Zahlen wie im erstgenannten „Insider Schreiben.“ Ihm zufolge wurden die Informationen von Ebrahim Amini, einem Berater von Karrubi verbreitet.

Gehen Massarrats Zahlen auf eine andere anonyme Quelle zurück oder nur auf Leute, die die widersprüchlichen Zahlen aus dem Schreiben, das als Faksimile vorliegt, stimmiger machten?

Einen weiteren Schlag erhält die Glaubwürdigkeit dieser Zahlen durch weitere, stark abweichende „wahre“ Wahlergebnisse, die u.a der Frankfurter Rundschau veröffentlicht wurden. Im Artikel von Martin Gehlen v. 16.6 2009 mit dem Titel „Inoffizielle Informationen belegen Wahlbetrug“ zitiert auch Gehlen ein Wahlergebnis das „anonyme Kreise des Innenministeriums“ bekannt gemacht hätten. Danach wäre die Stimmverteilung wie folgt gewesen:

  • Mussawi                   57,2 Prozent,      das entspricht      21,3 Millionen Stimmen
  • Ahmdinedschad         28,0 Prozent                "                10,5 Millionen
  • Mohsen Rezai             7,2 Prozent                "                 2,7 Millionen
  • Karrubi 6.0 Prozent                "                  2,2 Millionen

Diese „Insider“ geben somit Ahmadinedschad doppelt soviel Stimmen wie die erstgenannten und damit Platz 2. Herr Karrubi rutscht mit 2,2 statt 13,2 Millionen Stimmen bei den von seinem Berater veröffentlichten Ergebnissen, vom zweiten auf den vierten Platz.

Der Guardian zitiert in o.g. Artikel diese Zahlen auch, beide Auflistungen jedoch eher als Beispiel, wie schwer es ist, gelaubwürdige Informationen zu bekommen.

Bei kritischer Betrachtung kann ich daher nur dem Autor Esam Al-Amin zustimmen, der in seinem, in der Junge Welt von 22.6.2009 veröffentlichten, Artikel feststellt, dass alle anonyme Schreiben über die Wahlen im Iran gefälscht sind (2).

Man fragt sich was steckt hinter diesem Insider Dokument? Was wollte man mit dieser Veröffentlichung die nicht nur im Iran sondern rund um den Globus verbreitet wurde eigentlich erreichen?

Ich bin zu der folgenden Überzeugung gekommen;

Die Gruppen um Mussawi im Innenministerium haben kurz nach der Zählung der Stimmen fest gestellt, dass Ahmadinedschad die Wahlen gewinnen wird. Da sie mit einem Sieg Mussawis gerechnet haben, waren sie über dieses Ergebnis sehr enttäuscht und haben das anonyme Schreiben ganz geschickt so formuliert, als ob das Innenministerium und die anderen Organe der Staatsmacht bereit wären, einen Wahlputsch gegen Mussawi und seine Anhänger und damit gegen das Volk zu führen, nur damit das Oberhaupt seinen Wunschkandidaten nämlich Ahmadinedschad als Sieger der Wahl deklarieren kann.

Die Zahlen in diesem anonymen Schreiben wurden auch so geschickt gewählt, dass Mussawi mit 19 Mill. Stimmen gegenüber Ahmadinedschad mit nur 5,7 Mill. Stimmen als klarer Sieger der Wahlen erscheint.

Wenn ich ein Anhänger von Mussawi oder Karrubi wäre und auf Grund eines solchen anonymen Schreibens aus dem Innenministerium damit gerechnet hätte, dass mein Wunschkandidat gewinnen wird, aber dann nur dem Oberhaupt zu Liebe dessen Wunschkandidat, Ahmadinedschad, zum Sieger erklärt wird, würde ich selbstverständlich auch wütend auf die Straße gehen und gegen diesen Wahlputsch protestieren.

Ich denke genau das sollte mit dem anonymen Schreiben bezweckt werden. Man informiert vorher die Anhänger von Ahmadinedschads Gegner, dass ein Wahlputsch bevorstehe. Wenn dann tatsächlich Ahmadinedschad zum Sieger der Wahlen erklärt wird, so ist es kein Wunder wenn sie auf die Straße gehen, um ihren Unmut gegen diesen „Wahlputsch“ los zu werden. Wie wir alle gesehen haben, hat dieser vorbereitete psychologische Trick gut funktioniert.

Diese Unruhe wurde dann von ausländischen Journalisten und Staatsmännern dazu benutzt, mit dem Iran abzurechnen und den Iran für eine längere Zeit lahm zu legen. Diese Kampagne hat das Ziel, den Iran zu schwächen und zwar egal, wer von den vier Kandidaten gewählt worden wäre.

Wenn der Westen in Zukunft mit Ahmadinedschad oder anderen Repräsentanten des Irans verhandeln wird, haben sie die vielen Demonstrationen, die gegen ihn und die Staatsmacht stattgefunden haben, als Druckmittel in der Hand.

Falls Mussawi gewählt worden wäre, würden sie ihm bei Verhandlungen sagen, wir haben dafür gesorgt, dass Du zum Präsident gewählt wurdest.

Aber nun zu den Wahlen im Iran und die Beziehung zwischen Iran und USA

Ich bin überzeugt, dass die Vereinigten Staaten und Herr Obama aufgrund der Umfragen, die vor den Wahlen im Iran stattgefunden haben, vor dem Wahlausgang im Iran wussten, dass Ahmadinedschad gewinnen wird. Diese viel zitierte Umfrage zu den Wahlen, die am 15.Juni 2009 in der Washingtoner Post veröffentlicht wurde, sagte voraus, dass Ahmadinedschad, die Wahlen mit 2:1 gegen Mussawi gewinnen werde (3). Da Obama den Wahlausgang im voraus kannte, waren seine Äußerungen nach der Bekanntgabe des Sieges von Ahmadinedschad sehr moderat, was mit Recht Prof. Massarat veranlasst hat, dies in einem offenen Brief (4) an Frau Merkel zu erwähnen und sie aufzufordern, sich in ihren Äußerungen Obama zum Vorbild zunehmen und sich nicht in die innere Auseinandersetzung des Iran einzumischen.

Mit der Wahl von Obama hat wenigstens eine gute verbale Beziehung zwischen Iran und USA begonnen. Ahmadinedschad hat Herr Obama zu seinem Wahlsieg gratuliert. Obama hat das Neujahr der Iraner (nowruz) am 21 März zum Anlass genommen, und hat dem persischen Volk und seinen Repräsentanten zum Neujahr gratuliert. Er hat die Hoffnung zum Ausdruck gebracht, mit dem Iran eine neue Beziehung gestalten zu können.

Er hat sich vor kurzem auf einer Konferenz in Kairo für das Vorgehen der CIA im Jahre 1953 im Iran entschuldigt. Bei dieser Aktion (Militärputsch) wurde der rechtsmäßige Ministerpräsident Dr. Mohamad Mossadegh mit Hilfe der CIA gestürzt. Bei diesem Militärputsch ist der Außenminister Dr. Hussain Fatemi und vielen andere Patrioten auf grausame Art hingerichtet worden. (Jeder Iraner in meinem Alter, der damals politisch aktiv war und diese Zeit mit erlebt hat, kann diese grausame Zeit bestätigen.)

Nach dieser sehr kurzen guten verbalen Beziehung, verhält sich der Präsident der USA inzwischen mit seiner Äußerung gegenüber dem Iran ähnlich wie sein Vorgänger.

Vielleicht hat die aktuelle Kampagne gegen den Iran mehre Ziele gehabt, eine davon, die gut begonnene verbale Beziehung zwischen USA und Iran zu sabotieren.

Noch ein paar Bemerkungen:
Der Iran ist ein multikulturelles Land und hat eine lange kulturelle Geschichte. Der Iran ist nicht nur strategisch sondern mit seinen Öl und Gas Vorräten für die Weltgemeinschaft eine Bereicherung. Die Iraner verstehen es gut, wenn es um die Verteidigung ihres Landes geht. Sie sind alle bereit, Opfer zu bringen. Der achtjährige Krieg (1980-1988) von Saddams Regime gegen den Iran, der damals von allen westlichen Staaten einschließlich der USA mit allen möglichen Kriegsmitteln unterstützt wurde, hat nicht dazu geführt den Iran zu zwingen, zu einer Marionette des Westen zu werden. Das Land bestimmt seit der Niederschlagung der US-abhängigen Pahlavi-Dynastie im Jahre 1979 selbst über seine Ressourcen und führt eine selbstständige Außenpolitik.

Iran wird auch dieses Mal diese Krise bewältigen. Ich wünsche mir, dass der Westen sein arrogantes Verhalten ändert und sich nicht in die innere Angelegenheit des Irans einmischt. Ich denke der Westen hat genug Probleme (Arbeitslosigkeit, Finanzkrise, Harz IV, Kriege in Afghanistan im Irak ) am Hals. Wenn für den Westen die Menschenrechte so wichtig sind, dann sollten sie sich um das Getto in Gaza kümmern. Wenn sie gegen Wahlfälschung protestieren wollen und sich für freien Wahlen einsetzen, dann sollten sie die Hamas Regierung, die aus einer freien Wahl hervorgegangen ist, helfen, um dort das Elend zu beenden. Wenn sich die westlichen Staaten wirklich für die Menschenrechte interessieren, dann sollten sie Israel auffordern, die Blockade des Gaza-Streifens zu beenden, damit die Menschen dort sich frei und nicht wie in einem Käfig fühlen. Tun Sie was für das palästinensische Volk in Gaza, damit sie bei den Völkern glaubwürdig bleiben

Chavi Dehdarian,
Backnang, 18.7.2009

Notes:

(1) Rundschreiben von Mohssen Massarrat, „Irans neue Revolution: Fakten und Missverständnisse

(2) Esam Al-Amin, „Nichts als unbewiesene Anschuldigungen. Ein genauer Blick auf Zahlen und Fakten zur iranischen Präsidentschaftswahl“, Junge Welt, 26.06.2009 / Thema / Seite 10

(3) Ken Ballen and Patrick Doherty, The Iranian People Speak, Washtington Post, 15.6.2009

(4) Offener Brief von Mohssen Massarrat an Bundeskanzlerin Frau Dr. Angela Merkel zu Iran v. 23.6.2009

 

Faksimile des angeblichen Schreibens aus dem Innenministerium

(es ging mer per EMail zu, es ist aber auch auf vielen Internetseiten zu finden, z.B. bei iran.org oder Flickr)

Die Persische Zahlen

0 1 2 3 4 5 6 7 8 9
۰ ۱ ۲ ۳ ۴ ۵ ۶ ۷ ۸ ۹

 

KHP (Gast) - 20. Jul, 21:41

Wahlfälschung?

In einem anderen Kontext würde man die behaupteten Wahlfälschungen als Verschwörungstheorie bezeichnen. (siehe z.B. die US-Präsidentschaftswahlen 2000 und auch 2004).
Jetzt allerdings wird eine Verschwörungstheorie zum Glaubensbekenntnis. Wer sich dem entzieht, wird zum Sympathisanten des reaktionären Mullah-Regimes abgestempelt. Mit kritischen und nüchternen Verstand hat man bei diesem Thema wenig Chancen.

Mohssen Massarrat (Gast) - 22. Jul, 22:33

Nicht nur Insiderinformationen als Beleg

Sehr geehrter Herr Chavi Dehdarian,

Sie erwecken in Ihrer Stellungnahme vom 18. Juli 2009 "Iran und die Wahlen" (https://jghd.twoday.net/stories/iran-wahlen-dehdarian/) den Eindruck, ich würde den Wahlbetrug des Regimes im Iran ausschließlich mit den aus dem iranischen Innenministerium herausgeschleusten Zahlen begründen. Sie unterschlagen dabei, dass ich in meinem Beitrag "Irans neue Revolution: Fakten und Mißverständnisse" vom 22. Juni 2009 ausdrücklich auf "viele Indizien", die ich anschließend auch ausführe, verweise, die dafür sprechen, dass die von der Opposition genannten Zahlen der Wirklichkeit näher liegen.

Da Sie sich mit Ihren Gegenbehauptungen ausdrücklich auf mich beziehen, möchte ich Sie hiermit auffordern, umgehend meine Argumente vollständig zu zitieren. Der Anstand gebietet, diese Korrektur unverzüglich vorzunehmen. Dabei sollten Sie wissen, dass bewusste Auslassungen von Argumenten deren Verfälschung gleichkommen.

Ungeachtet dessen ist Ihnen unbenommen, die offiziell verkündeten Wahlergebnisse des Regimes zu akzeptieren, wie alle Anhänger von Ahmadinedschad dies auch tun. Des weiteren spricht Ihre Darlegung, nicht das Regime, sondern die Opposition hätte durch Verfälschung eines Dokuments falsche Zahlen verbreitet, für sich: Ihren Ausführungen zu Folge sagt die Theokratie - die Ahmadinedschad alle erdenkbaren Möglichkeiten des Wahlkampfes (staatliches Fernsehen und Radioprogramme, Wahlreisen auf Kosten des Staates, staatsnahe Printmedien) bereitgestellt hat, die die Opposition aus dem gesamten Wahlverfahren ausgeschlossen hat, die alle entscheidenden Institutionen, wie das Innenministerium, den Wächterrat, die Judikative, vollständig beherrscht - ausgerechnet sie vverkündet die Wahrheit über die Wahlergebnisse? Dagegen sollen Mussawi und andere Kandidaten, die während des gesamten Wahlkampfes ein einziges Mal, und zwar im Fernsehduell ihre Meinung im staatlichen Fernsehen kundtun durften, deren Zeitungen verboten wurden, die die Wahlkampfkosten selbst tragen mussten, ausgerechnet diese Opposition soll in der Lage gewesen sein, die wahren Wahlergebnisse gezielt zu ihren Gunsten zu verfälschen, um dann den revoltenartigen Widerstand auszulösen?

Können Sie - die Glaubwürdigkeit Ihrer Analyse erst einmal dahingestellt - sich selbst die Frage beantworten, warum dann das Regime, das auch die Streitkräfte, die Polizei und die Bassidjis beherrscht, Mussawi, Karrubi und Rezai nicht wegen Verfälschung und Aufruhr verhaftet bzw. verurteilt hat, wozu es nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich in der Lage wäre? - von allen anderen Faktoren abgesehen, dass z. B. mit einer Ausnahme kein Großayatollah Ahmadinedschad zu seinem "Wahlerfolg" gratuliert hat, dass Großayatollah Montazeri in einer ausführlichen Fatwa dem Regime die Legitimität abgesprochen hat usw. .....

Also noch einmal, ich fordere Sie auf, Ihre auf mich bezogenen Angaben, wie oben erwähnt, auf jeden Fall zu vervollständigen. Noch besser wäre allerdings, darüber hinaus dieses mail auch über Ihren Verteiler zu verbreiten.

Beste Grüße
Mohssen Massarrat

JGuilliard - 22. Jul, 22:42

Nicht verfäscht widergegeben

Lieber Herr Massarrat,

Ich sehe nicht, dass Sie in irgendeiner Form verfälscht widergegeben wurden. Sie wurden nur als ein prominentes Beispiel genannt, das sich auf diese "Insiderinformationen" beruft. Oft, zuletzt in ihrem jüngsten FREITAG-Artikel, haben sie diese als alleiniges Argument für einen Wahlbetrug angeführt.

Ich finde es zudem inakzeptabel, dass Sie in ihrer Antwort Herrn Dehdarian, nur weil er eine Sicht hat, die Ihnen nicht paßt, faktisch zum "Anhänger von Ahmadinedschad" erklären. Es gibt doch ein wenig mehr Positionen als Mussawi- oder Ahmadinedschad-Anhänger zu sein.

Ihren Artikel "Irans neue Revolution: Fakten und Mißverständnisse" habe ich im übrigen gelesen. Belastbare Indizien für einen Wahlbetrug habe ich ehrlich gesagt da auch nicht gefunden. Im Wesentlichen führen sie ins Feld dass das offizielle Wahlergebnis nicht stimmen kann, weil Sie die politische Stimmung und die Mehrheitsverhältnisse anders einschätzen. - Auf Basis welcher Informationen, Sie zu dieser Einschätzung kommen, verraten Sie aber nicht. Die einzigen empirschen Daten, die aktuell verfügbar sind, sind die Umfragen vor den Wahlen und diese stehen nicht im Widerspruch zum offiziellen Ergebnis.

Die "ausführliche Fatwa" des Großayatollah Montazeri beeindruckt mich auch nicht sonderlich. Und die Tatsache, dass die Ayatollahs Ahmadinedschad nicht gratulierten, spricht doch eher für ihn, oder?

Ich fände es jedenfalls schön, wenn Sie auf die konkreten Argumente eingehen und nicht mit persönlichen Angriffen auf alle reagieren würden, die ihrer Sicht skeptisch gegenüberstehen.

Viele Grüße,
Joachim Guilliard
FARSHID (Gast) - 24. Jul, 12:11

Massarrat sieht wiedr rot

" Können Sie - die Glaubwürdigkeit Ihrer Analyse erst einmal dahingestellt - sich selbst die Frage beantworten, warum dann das Regime, das auch die Streitkräfte, die Polizei und die Bassidjis beherrscht, Mussawi, Karrubi und Rezai nicht wegen Verfälschung und Aufruhr verhaftet bzw. verurteilt hat, wozu es nicht nur moralisch, sondern auch rechtlich in der Lage wäre?"
Moussavi und andere Kandidaten haben ausführlich und detailiert
beim Wächterrat die Wahlergebnisse als manipuliert angeprangert.
Das besagte " DOKUMENT" und andere "INSIDERBEHAUPTUNGEN"
werden hierbei nicht einmal erwähnt.
So oder so kann mann die spontane Proteste gegen schwarze (AHMADI und co.) sowie grüne (MOUSSAVI und co.) KLEPTOKRATEN unterstüzen. Wer wie Massarrat sich für Moussavi
entscheidet , müsste sich aber selbst leugnen:
Moussavi weist seine Vertreter im Ausland an, in ihren Reihen keinen zu dulden , der " Zweifel an heilige Ordnung der Islamischen Republik hegt." MOUSSAVI als Gegner der "THEOKRATIE" zu bezeichnen ist schlicht ignorant. Schon deshalb,
weil Massarrat selbst unentwegt aufführt, dass die meisten KLERIKER Moussavi unterstüzten. Massarrat`s DRECKSCHLEUDEREI gegen linke Personen und Organisationen, deren Vergehen darin besteht , den Tag vor dem Abend nicht loben zu wollen (Brecht), ist unertäglich. Massarrat dürfte die Rede Von Mussavi-vertreter - M. Makhmalbaf- im EU-Parlament
bekkant sein. hierbei behauptet Makhmalbaf u.a., Iran hätte schon die Atombombe und diese sei schon jetzt gegen die Welt
gerichtet , es sei fast schon zu spät darauf zu reagieren.......
Hamid Hashtroudian (Gast) - 1. Aug, 01:10

Es ist leichter ein Dokument zu fälschen, als das Ergebnis einer Wahl

Am 12 .6.09 fanden in Iran Präsidentenwahlen statt.

Am 14. 6.09 bekam ich von einem der Stuttgarter Topzionisten, Lothar Galow-Bergemann, eine eMail mit den „richtigen“ Wahlergebnissen, angeblich aus Teheran. Und da ist noch zu lesen: „...wo sind die Organisationen die fuer Gazastreifen sich engagiert haben?“. Also ein alter bekannter Vorwurf der Stuttgarter Zionisten.

Am 16.6.09 bekam ich eine eMail von einem Freund aus Teheran. Inhalt: RealVote.ipg, ein Bild von einem persischsprachigen Brief. Dieser Brief soll angeblich vom Innenministerium geschrieben worden sein mit den „richtigen“ Wahlergebnisse“.

Zuerst interessiert mich der Inhalt dieses Briefes nicht viel. Was aber meine Aufmerksamkeit auf sich zog, war der Absender des Briefes an meinen Freund. Ich kannte ihn von früher. Sein Onkel war der SAVAK- Chef von Teheran. (Ich wurde einst wegen meinem Berufsverbot bei ihm vorstellig.)

Dann dachte ich mir so einen Brief könnte man sehr leicht mit dem Programm „Photoshop“ erstellen oder manipulieren. Darum habe ich diesen Brief (realVote.jpg) auf meinen Desktop kopiert und versucht es auf Echtheit zu prüfen. Ich fand keine Lösung bei dem Programm „Photoshop“. Aber je öfter ich den Brief gelesen habe, habe ich schon anhand des Inhalts festgestellt, dass dieser Brief eine Fälschung ist.

Später habe ich festgestellt, dass Chavi Dehdarian im Blog von Joachim Guilliard zu einem ähnlichen Ergebnis gekommen ist

Es ist leichter ein Dokument zu fälschen, als das Ergebnis einer Wahl. Und wie leicht ist es eine Welt mit einer Fälschung in Bewegung setzen. Es ist sehr traurig. Jeder von uns kann jeder Zeit hereinfallen.

Ich wollte nur dieses einzige „Dokument“ beurteilen. Die Welt ist voll mit ähnlichen Fälle.

Hamid Hashtroudian, Stuttgart

JGuilliard - 1. Aug, 12:18

Nachtrag zu Galow-Bergemann & Co.

Für nicht Stuttgarter: der zur antideutschen Szene zählende Lothar Galow-Bergemann und seine Mitstreiterin Bärbel Illimachen natürlich nicht nur gegen alle mobil, die die israelische Politik kritisieren, sondern trommeln auch schon lange für einen "regime change" im Iran.
Seine Rede auf einer Solidaritätskundgebung für die iranische Protestbewegung überschrieb er z.B. mit "Mit dem iranischen Regime darf man nicht kuscheln, man muss es stürzen."
Darin lobt der sich selbst zur Linken zählende Galow-Bergemann seine Kanzlerin für ihre klaren Worte will aber vor allem Taten wie "massive Boykottmaßnahmen" und "Wirtschaftsembargo" sehen. Letztlich müsse es zu "einem Konflikt zwischen den Herrschern in Teheran und dem Rest der Welt" kommen.
willi übelherr - 6. Aug, 21:22

Position zu Iran und die Linke von Mohssen Massarrat und Pedram Shahyar

hallo freunde,

dank Hamid Hashtroudian fand ich euren blog und freue mich über die ehrliche und offene art, wie hier den geschehnissen unserer zeit auf den grund gegangen wird.

im umfeld von attac hat herr Massarrat und Pedram Shahyar ein papier verteilt mit dem titel 'Position zu Iran und die Linke', eine für meine begriffe reine hetze gegen den iran. herr Massarrat ist mitglied im wissenschaftlichen beirat von attac, pedram shahyir ist mitglied im koordinationskreis von attac. ich bin inzwischen auf mehreren maillisten gesperrt, weil ich für den boykott israels und für den frieden in palästina eintrete. aber für den offenen diskurs um den staat israel machen diese herren sich nicht stark und unterstützen die zensur.
aber für den 'regime change' im iran, für die einmischung und destabilisierung, dafür machen sie sich stark.

das papier selbst
http://www.attac.de/uploads/media/090711_Massarrat_Shahyar_Bewegung_im_Iran_unterstuetzen.pdf

hier nun meine antwort auf das papier von den herren Massarrat und Shahyar.

hallo pedram,

schon im freitag las ich einen artikel von dir, der sich mehr
um die erhaltung der eliten im iran kümmert als um die lebens-
bedingungen der menschen im iran und seiner umgebung.

http://www.freitag.de/positionen/0925-iran-wahlen-faelschung

nun lese ich diesen text von dir und herrn massarat und stelle
fest, daß ihr mit keinem wort die seit jahren organisierte ein-
mischung von seiten der usa und ihrer verbündeten thematisiert.

auch kein hinweis auf die geostrategische bedeutung des iran im
nahen und mittleren osten, die kriegsvorbereitungen und kriegs-
erklärung (siehe kissinger), die organisatorischen bemühungen
einer reorganisation im iran, wie sie die 'Scholars for Peace in
the Middle East' (SPME www.spme.net) betreibt.

http://www.zmag.de/artikel/201ebusiness-as-usual201c-201eaufs-maul-hauen

ist dies alles für euch ohne bedeutung? welche intentionen liegen
denn eurer erklärung zu grunde. eine klare aussage zum verhältnis
der linken zum iran las ich auf der freidenker-liste von martin
großkopf:

> Wie nimmt die emanzipatorische Linke zur demokratischen Revolution im
> Iran Stellung? Die Antwort darauf gibt Karl Marx schon im
> kommunistischen Manifest. Sie lautet:
* Die Kommunisten unterstützen überall jede revolutionäre Bewegung
gegen die bestehenden gesellschaftlichen und politischen Zustände.
* In all diesen Bewegungen heben sie die Eigentumsfrage (…) als die
Grundfrage der Bewegung hervor.
* Die Kommunisten arbeiten endlich überall an der Verbindung und
Verständigung der demokratischen Parteien aller Länder.
* Die Kommnisten verschmähen es, ihre Absichten und Ansichten zu
verheimlichen.

auch wenn dir vielleicht diese zeilen unbekannt sein mögen, herr
massarat kennt sie mit sicherheit.

und wer sind eure verbündeten? die usa, großbritannien, frankreich,
deutschland, israel? oder sind es die emanzipatorischen kräfte welt-
weit, die in allen ländern für demokratie, gegen militär und krieg
kämpfen? und dies auch und vor allem in südamerika.

wie ist es zu verstehen, daß meine und anderer intentionen, für den
frieden in palästina und gegen diesen jüdisch-homogenen nationalstaat
der siedlergruppen (liebermann und freunde), die uri avnery als
'faschisten und hooligans' bezeichnet, in attac blockiert wird?
wie ist es zu verstehen, daß sich attac-deutschland aus der gemein-
samen schlusserklärung des weltsozialforums in belem herausgehalten
hat?

wo ist die klare haltung gegen den versuch der nato-gruppierung,
durch militärische gewalt die kontrolle über die iranischen ressourcen
und das land in seiner besonderen lage zu organisieren?
wo ist die klare haltung, die seit langem offen zur schau getragene
kriegsvorbereitung des staates israel gegen den iran zurückzuweisen?

gerhard wendebourg* vetritt ähnliche analysen, aber er setzt sich
eindeutig mit dem realen umfeld auseinander und bezieht dies in seine
betrachtungen mit ein. er verknüpft seine forderungen an die iranischen
politischen kräfte mit seinen forderungen an die kräfte in usa und
europa.

in eurem text ist hiervon nichts zu finden. es entsteht ein eindruck,
daß um den iran herum nur echte demokratien mit friedlicher gesinnung,
dem respekt und der achtung der souveränität anderer völker existieren
würden. nur mit welchen gegenkräften hat es die iranische revolution
tatsächlich zu tun? und welche innere gegenwehr wird hierdurch
aktiviert? da ist bahman nirumand schon viel weiter.

eine gutes verständnis der inneren verhältnisse im iran finden wir
in der arbeit von werner ruf, friedensbüro kassel, zur 'politischen
ökonomie des iran'.
http://www.uni-kassel.de/fb5/frieden/regionen/Iran/ruf.html

ich kann nur wünschen, daß ihr versucht, eure analysen auf eine trag-
fähige grundlage zu stellen.

auf attac-d, auch dort ist dieser text veröffentlicht, kann ich nicht
schreiben. möge es leser geben, die mit der gleichen selbstverständlich-
keit wie stephan lindner, auch meine antwort dort einbringen.

mit gruss, willi

*) gerhard wendebourg ist mitglied der redaktion www.meta-info.de


der

FARSID (Gast) - 11. Aug, 19:37

NACHTRAG

In einem anderen Beitrag sieht Massarrat die Echtheit der o.g.
Wahlergebnisse dadurch für belegt, dass Mussavi und Rezai die
Zahlen auf ihren WEB-SITES veröffentlicht hätten.
Nach nochmaliger Überprüfung :
Bei Rezai Wird das " Dokument ", ohne Erwähnung der Ergebnisse,
als "TOTAL-FÄLSCHUNG" bezeichnet. Bei Mussavi ist hingegen
keinerlei Hinweis zu finden.
Das "DOKUMENT" ist am 13.06.09 erstellt, also 1 Tag nach den
Wahlen. Mussavi hält die Wahlergenisse u.a. für manipuliert,
weil die Auszählung 3 Tage dauern würde ....

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