Falludscha: Massive Zunahme von Fehlgeburten, Mißbildungen und Krebs

So ungewiss die Zukunft des Iraks ist, eines ist leider sicher: das Land wird - ähnlich wie Vietnam - noch Jahrzehnte unter den Folgen der US-geführten Kriege leiden.

Nachdem sich bereits seit den 90er Jahren Mißbildungen, Fehlgeburten und Krebserkrankungen im Süden Iraks vervielfachten, ist eine ähnliche Zunahme nun auch in vielen anderen Landesteilen zu beobachten. Besonders alarmierend ist die Situation in Falludscha, wo erst seit kurzem, nach der Wiederherstellung des Zentralkrankenhauses, exakte Daten verfügbar sind. Während die genetischen Deformationen im Südirak mit ziemlicher Sicherheit auf den Einsatz von uranhaltiger Munition (DU-Geschosse) während des ersten, US-geführten Angriffs 1991 zurückzuführen ist, kommt in Falludscha als Ursache ein ganzer Mix hochgiftiger Waffen in Frage.
 
Ärzte aus Falludscha schlagen bereits seit langem Alarm. Das Thema wurde jedoch nur vom britischen Nachrichtensender Sky News aufgegriffen. Auf seinen ersten Bericht hin, Did US Army Cause Iraq Birth Defects? (Sky News, 29.5.2008 - vollst. Video hier), bot Professor Kypros Nicolaides, ein führender Experte für fötale Medizin an, Ärzte aus Falludscha in der Diagnostik auszubilden und bei ihrer Arbeit zu unterstützen (Doctors To Study Iraq Birth Defects, Sky News, 10.6.2008).

Seit Beginn des Jahres können nun alle Fälle systematisch erfaßt und das ganze Ausmaß wissenschaftlich dokumentiert werden. Doch auch die darauf basierende neue, am 1.9.2009 ausgestrahlte Doku von Sky News The Truth Of Iraq's City Of Deformed Babies blieb ohne Resonanz.

Nachdem die britische Regierung, auf eine Anfrage britischer Ärzte hin, die Zunahme von Mißbildungen schlicht leugnete, wandte sich eine Gruppe irakischer und britischer Ärzte und Wissenschaftler an die UN-Vollversammlung. Im Schreiben an deren aktuellen Präsidenten, Ali Abdussalam Treki, heißt es u.a.:
"Junge Frauen in Fallujah haben Panik davor, Kinder zu bekommen, weil immer mehr grotesk deformierte Babies geboren werden, ohne Kopf oder mit zwei Köpfen, mit einem einzelnen Auge in der Stirn, schuppigem Körper oder fehlenden Gliedern. Zudem werden kleine Kinder von abscheulichen Tumoren und Leukämie heimgesucht.

Diese Mißbildungen sind nun gut dokumentiert. [...] Im September 2009 wurden im Fallujah General Hospital 170 Babies geboren, von denen 24% innerhalb der ersten sieben Tage starben, erschütternde 75% der toten Babies wurden als mißgebildet klassifiziert.
Dies kann mit den Daten vom August 2002 verglichen werden, wo sechs von 530 Neugeborenen innerhalb der ersten sieben Tage starben und nur ein Geburtsfehler registriert wurde.

Die Ärzte in Falludscha weisen besonders darauf hin, dass sie nicht nur eine außergewöhnliche Zunahme an Geburtsfehlern beobachten, sondern auch die Zahl der Frühgeburten beträchtlich angestiegen ist. Noch alarmierender ist aber [...], dass "eine signifikante Zahl von Babies, die überleben, zu einem späteren Zeitpunkt schwere Behinderungen entwicklen." (Deformed babies in Fallujah/Iraq - Letter to the United Nations, 12. Oktober 2009)
Da die Ursache im Einsatz bestimmter Waffen - wie Uranmuniton und Phosphorbomben - liege, warnen die Autoren davor, dass es in anderen Ländern, insbesondere in Afghanistan zu ähnlichen Langzeitschäden kommen wird und fordern daher die UNO-Vollversammlung u.a. eindringlich auf:
  • Anzuerkennen, dass es sich bei der beispiellosen Zahl von Mißbildungen und Krebserkrankungen, insbes. in Falludscha, Basra, Bagda und Nadschaf, um ein sehr ernstes Problem handelt.
  • Eine unabhängige Kommission mit einer umfassenden Untersuchung zu betrauen.
  • Die Säuberung der betroffenen Gebieten von den giftigen Materialen
    anzuordnen.
  • und schließlich zu untersuchen, ob hier von seiten der Besatzungstruppen nicht Kriegsverbrechen oder Verbrechen gegen die Menschlichkeit begangen wurden.
Unterzeichnet ist der Appell u.a. von der ehemaligen Frauenministerin Iraks, Dr. Nawal al-Samara, die im Februar aus Protest zurücktrat weil ihr Ministerium trotz einer "Armee von Witwen, arbeitslosen, unterdrückten und inhaftierter Frauen" kaum Mittel erhalten hatte. Beim BRussel Tribunal kann man das
Scrheiben als Petition online unterzeichnen.

Ein durch den Appell angeregter Bericht des Guardian brachte dem Thema endlich eine etwas größere Öffentlichkeit, viele andere Zeitungen druckten nun wenigstens eine kurze Meldung.

Der Guardian überprüfte die Daten aus Falludscha und stellte fest, dass nach Jahren des Verdachts und sporadischer Hinweise, die extreme und äußerst besorgniserregende Zunahme von Missbildungen und Krebs nun zweifelsfrei fest steht.
Die Zeitung bat eine Kinderärztin 3 Wochen lang genau Buch über alle Geburten im Zentralkrankenhaus von Falludscha zu führen. Allein in dieser kurzen Zeit wurden 37 Kinder mit schwerwiegenden Anomalien geboren.
(Huge rise in birth defects in Falluja und "'My baby was blind. She couldn't eat or speak. I mourn for her' – families' heartache over Falluja birth defects - Doctors and parents tell of huge growth in abnormalities in children of city that saw some of the fiercest fighting – and largest quantities of munitions – of the Iraq war" Guardian, 13.11.2009 sowie das Video The children of Falluja).

Schwieriger ist es, wie immer, die genauen Ursachen nachzuweisen: hier kommt, so die Ärzte vor Ort, ein umfangreicher Mix in Frage, von Luftverschmutzung über radioaktive Strahlung und diversen Chemikalien bis hin zu Unternährung und extremer psychischer Belastung der Mütter.

Da natürliche Katastrophen ausscheiden, kann man aber unabhängig davon eines mit Sicherheit sagen: letztlich ist die ganze Taragödie eine Folge der verheerenden militärischen Angriffe auf die Stadt. Verantwortlich sind somit die US-amerikanischen Besatzungstruppen und die politische Führung in Washington.
Lutz Huth (Gast) - 5. Okt, 18:25

Die Kinder von Falludscha

Die Kinder von Falludscha
Neue Hinweise auf US-Einsatz von Uranmunition

Eine im „International Journal of Environmental Studies and Public Health” (IJESPH) erschienene Studie bringt neue Hinweise auf den Einsatz von Uranmunition durch die US-Armee. Dabei handelt es sich um panzerbrechende Munition, deren Projektile abgereichertes Uran enthalten. Die verheerenden Auswirkungen von Uranmunition sind schon aus dem ersten Golfkrieg und dem Jugoslawienkrieg bekannt.

„Krebs, Kindersterblichkeit, Geschlechterverteilung der Geburten, Irak 2005-2009” – so lautet der Titel der Studie, die sich besonders mit dem Los der Bevölkerung der irakischen Stadt Falludscha befaßt. Der Artikel ist in englischer Sprache unter http://www.mdpi.com/1660- 4601/7/7/2828/pdf abrufbar.

Der Sturm auf Falludscha, das die von den USA eingesetzte Regierung nicht anerkennen wollte, begann am 7. November 2004 und dauerte zehn Tage; der Vorwand lautete, daß die Stadt sich in den Händen von ,fremden Terroristen’ befinde. Von den rund 350.000 Einwohnern war nur wenigen die Flucht gelungen. Männern im Alter von 15 bis 55 Jahren war das Verlassen der Stadt untersagt.

Wie in Hiroschima
Laut der Studie haben sich in Falludscha die Krebsfälle seit dem Jahre 2005 vervierfacht. Das Spektrum der Krebsformen sei ähnlich wie das bei Hiroschima-Überlebenden.Auch im Vergleich mit Krebs- oder Leukämiequoten in benachbarten Gegenden seien die in Falludscha festgestellten Quoten jeweils 10-mal (Brustkrebs) bis 38-mal (Leukämie) höher. Entsprechendes gelte für die Kindersterblichkeit. Manche Kinder, die überlebten, würden im Laufe der Zeit blind oder litten an anderen Gebrechen, zum Beispiel einem unnormal entwickelten Schädel oder Geschwüren, manchmal begleitet von überaus heftigen Schmerzen.

Auch kommende Generationen betrifft die Schädigung des Erbguts. Während normalerweise auf 1.000 Mädchen, die geboren werden, 1.050 Jungen kommen, wurden in Falludscha ein Jahr nach dem Konflikt nur 860 Jungen je 1.000 Mädchen geboren. Das ist ein bekannter Indikator für genetische Schäden – auch hier besteht eine Parallele zu Hiroschima, wo der Anteil der männlichen Neugeborenen nach dem Atombombenabwurf ähnlich einbrach. Die Studie bestätigt damit die schon bekannten Anzeichen dafür, dass bei der Erstürmung von Falludscha Uranmunition zum Einsatz kam, auch wenn die US-Armee dies in Abrede stellt. Die in Großbritannien ansässigen Autoren der Studie verlangen nun weitere Untersuchungen. Organisator Malak Hamdan: „Vielleicht wird die internationale Gemeinschaft jetzt aufwachen.” Uranmunition wird wegen ihrer panzerbrechenden Wirkung verwendet, die geringfügig größer ist als die der teureren Wolframmunition. Uranmunition hat aber nicht nur grausame Auswirkungen auf die betroffene Bevölkerung, sie schädigt auch die Gesundheit damit hantierender Soldaten. Der Einsatz von Urangeschossen verstößt zudem gegen das Genfer Protokoll von 1925, das die Verwendung von giftigen Stoffen im Krieg verbietet. Kein Wunder, wenn Dr. Asaf Durakovic, Leiter der Abteilung für Nuklearmedizin an der Georgetown Universität, sagt: „Abgereichertes Uran wird zum gefährlichsten der der Wissenschaft bekannten Toxine.“ Und wer weiß, wo Uranmunition zum nächsten Mal zum Einsatz kommt?

„Es macht Spaß, Leute abzuknallen“
Der neue Befehlshaber des US-Zentralkommandos CENTCOM, dem auch die amerikanischen Truppen in Afghanistan unterstehen, ist General James („Mad Dog“) Mattis. Er war führend an der Planung des Sturms auf Falludscha ( „Operation Phantom Fury”) im November 2004 beteiligt. Im Februar 2005 sagte er in einer öffentlichen Versammlung im Zusammenhang mit dem Afghanistan- Krieg: „Es macht wirklich Spaß zu kämpfen. Es ist einfach umwerfend komisch. Es macht Spaß, einige Leute abzuknallen.“ („Actually, it’s a lot of fun to fight. You know, it’s a hell of a hoot. It’s fun to shoot some people.”) Gott bewahre uns vor solchen Helden der Freiheit!

Maurice Toutvent, Paris

„It's fun“: US-General Mattis plante 2004 den Sturm auf Falludscha mit. Seit 11. August 2010 befehligt er das für den Nahen Osten und Zentralasien zuständige Regionalkommando der US-Armee, CENTCOM.

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