luke (Gast) - 20. Jan, 13:55

Adopt a Revolution hilft gegen Gewalt

Die Syrien Solidaritätskampagne "Adopt a Revolution" wirbt in
Deutschland um Unterstützung für politische Aktivisten in Syrien. Obwohl
"Adopt a Revolution" sich ausdrücklich auf den gewaltfreien Widerstand
gegen das menschenverachtende syrische Regime bezieht, wird kritisiert,
diese Kampagne würde irgendwie am bewaffneten Kampf teilhaben.

Das Gegenteil ist der Fall. Die Regierung von Assad ist delegitimiert
und hat durch das systematische und oft wahllose Töten von Zivilisten
ein sehr breites Spektrum von Menschen gegen sich aufgebracht. Die Frage
ist nun, wie die aufgestaute Wut, die erlebten Ungerechtigkeiten und
erlittene Folter politisch umgesetzt werden. Diejenigen Kräfte sich
selbst zu überlassen, die dabei ausdrücklich Gewaltfreiheit propagieren
und tagein, tagaus auf die Strasse gehen und mit viel Mut der
staatlichen Gewaltorgie entgegenstellen, wäre fatal.

In der Tat sollten Kampagnen internationaler Solidarität darauf achten,
welche Anreize sie für die strategischen Überlegungen der Gruppen
schaffen, die sie unterstützen. Bei "Adopt a Revolution" ist eindeutig,
dass die Lokalen Kommittees, welche die Gelder erhalten, der
Gewaltfreiheit verbunden sind. Die Tatsache, dass sie es sind (und nicht
zum Beispiel die Armeedissidenten) bedeutet: gewaltfreie Methoden
erhalten Hilfe, andere nicht. Diese politische Einmischung kann mensch
kritisieren, oder auch nicht (funding human rights is a human right...).
Aber zu behaupten, "Adopt a Revolution" würde in irgendeiner Weise einen
Gewalt unterstützen verdreht die Dinge völlig.

Hoffen wir, dass alle SyrerInnen bald die Chance bekommen, in Frieden zu
leben. Bedingung dafür ist, dass eine Regierung übernimmt, die nicht
friedliche Demonstranten erschießt. "Adopt a Revolution" hilft denen,
die unbewaffnet daran arbeiten.

JGuilliard - 21. Jan, 15:10

Kritisiert wird nicht, dass die Kampagne „irgendwie am bewaffneten Kampf teilhabe“, sondern dass sie durch ihre Einseitigkeit dazu beiträgt, die westliche Intervention zu legitimieren und somit auch den Konflikt anzuheizen.
Indem die Vorwürfe oppositioneller Gruppen ungeprüft übernommen werden und die terroristische Gewalt der anderen Seite ausgeblendet wird, trägt auch „Adopt a Revolution“ zur Dämonisierung eines Regimes bei, das seit langem im Visier der USA und seiner europäischen Verbündeten ist.

Dazu gehört schon, dass man den Fokus ausschließlich auf Syrien legt, dessen Regime als besonders bösartig heraushebt, die benachbarten Feudalstaaten Saudi Arabien, Katar, Bahrain, Jordanien etc. jedoch ungeschoren lässt und keine Anstalten macht, auch die gleichfalls brutal unterdrückte demokratische Opposition dort, bei den westlichen Verbündeten, zu unterstützen. Ausgerechnet die despotischen Scheichs, die nun eine Gelegenheit sehen, mit Hilfe der die Opposition dominierenden islamischen Kräfte, ein säkulares Regime zu beseitigen, dürfen nun unbehelligt von jeglicher Kritik in Syrien Schiedsrichter spielen.

Die unterstützten „Lokalen Komitees“ (LCCs) mögen selbst gewaltfrei sein, arbeiten aber im Bündnis mit anderen mit, die einen gewaltsamen Umsturz wie auch eine militärische Intervention der NATO anstreben – insbesondere mit dem nach libyschem Vorbild gebildeten „Syrischen Nationalrat“.

Auch die LCCs fordern in ihrer "Vision on International Protection" eine UN-Intervention gemäß Kapitel VII, also eine Intervention die militärische Mittel einschließt. Wenn gleichzeitig gefordert wird, diese Intervention soll die Bedingungen für einen „friedlichen demokratischen Übergang“ (im Klartext Sturz Assads) schaffen und von „neutralen Staaten“ unter Leitung des UN-Generalsekretär durchgeführt werden, so ist das entweder gefährliche Naivität oder berechnende Vernebelung. Die Erfahrung zeigt doch, dass ein Mandat nach Kapitel VII für die NATO-Staaten ein Freibrief für eine militärische Intervention wäre, im Falle Syriens vielleicht delegiert an die arabischen Feudalstaaten.

Bei aller Sympathie für die Forderung nach einem radikalen Wandel zu mehr Demokratie – wer aktuell Kräfte unterstützt, die kompromisslos für einen Regime Change kämpfen, obwohl dies absehbar in einen Bürgerkrieg führt, ist verantwortungslos. Im Moment geht es darum, eine weitere Eskalation zu verhindern. Viele linke, oppositionelle Gruppen konzentrieren sich längst darauf. Sie würden alle dabei nur verlieren.
Zu Recht warnt z.B. Sofia Saadeh, Professorin für Moderne Geschichte des Mittleren Ostens in Beirut vor der „komplexen Konfliktlage“, in der die säkularen Oppositionellen längst ausgebootet sind: „In den Grenzgebieten Syriens, in Homs und Idlib, bestimmen konfessionelle Milizen das Geschehen.“

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