Öl-Geschäfte in Irakisch-Kurdistan

Die Untersuchungen der Osloer Börse über einige undurchsichtige Geschäfte des norwegischen Energiekonzerns DNO im Nordirak führte nicht nur zur Aufdeckung des persönlichen Profits, den der US-Diplomaten Peter Galbraith aus seinem Engagement für die kurdische Unabhängigkeit zog (s. Peter Galbraith - profitabler Separatismus), sondern auch zu ernsten Spannungen zwischen der kurdischen Regionalregierung KRG und DNO.
Zeitweilig unterband die KRG sogar alle Tätigkeiten von DNO und als diese wieder grünes Licht gab, wollte DNO nicht mehr. Obwohl das von ihr aus dem Tawke-Feld geförderte Öl seit Juni des Jahres in die nordirakischen Pipelines einspeist wird, hat sie bis dato noch keinen Cent dafür gesehen.
 
Gerüchte, dass Galbraith, auch erhebliche finanzielle Gewinne aus seiner Tätigkeit für PUK und KDP zieht, schwirrten schon lange herum, so Charles Recknagel in einem recht guten Beitrag für Radio Free Europe (Iraq Oil Scandal Threatens Former U.S. Diplomat Galbraith, RFE/RL15.10.2009)
Aufgedeckt wurden seine geschäftlichen Verbindungen jedoch nur aus Zufall. Ein ziemlich hohes Bußgeld der Osloer Börse gegen DNO weckte das Interesse der norwegischen Wirtschaftsblatts "Dagens Naeringsliv" (DN). Aus den Angaben der Börse war zunächst nur zu entnehmen, dass DNO für einen Aktienverkauf an einen ungenannten Käufer bestraft worden war. DN erzwang die Offenlegung des Käufers und erfuhr so, dass es sich bei ihm um die KRG selbst handelte, genauer gesagt um den Minister für Bodenschätze, Ashti Hawrami. (Ben Lando, DNO’s Iraq operations suspended, Iraq Oil Report, 22.9.2009)
Doch dieser fungierte dabei, wie weitere Nachforschungen ergaben, offenbar nur als Mittelsmann. Die Aktien im Wert von 29,7 Mill. Dollar gingen letztlich an das türkische Unternehmen Genel Enerji. Genel wiederum ist bereits mit 25% am Tawke-Ölfeld beteiligt, DNO selbst hält 55% und ist der Betreiber, die restlichen Anteile hält die KRG selbst. DNO ist zudem auch Betreiber des Dohuk-Ölfeldes an dem DNO und Genel jeweis 40% Anteile haben.

Die KRG reagierte äußerst empört über den „Bruch der Vertraulichkeit“ durch DNO und die norwegische Börsenaufsicht, durch die ihre Reputation geschädigt worden sei und kündigte rechtliche Schritte an. DNO mußte seine Tätigkeiten vorläufig einstellen und bekam 6 Wochen Zeit die „Angelegenheit zu klären“, falls nicht drohte die KRG mit Rausschmiss ohne Entschädigung.
Die KRG stellte für die Wiederaufnahme der Kooperation eine völlig überraschende Forderung: DNO sollte auch die Konflikte mit „den Interessen Dritter“ lösen.

"Dagens Naeringsliv", erneut neugierig geworden, fand heraus, dass in der Tat in London ein Schiedsgerichtsverfahren zwischen DNO und zwei früheren Teilhabern läuft, die Entschädigung für ihren Rausschmiss fordern. Einer davon war die Firma Porcupine LP in Delaware. Die Firma war im Juni 2004 gegründet worden, 2 Tage vor dem Abkommen zwischen DNO und der KRG 2004. Die Inhaber sind Peter Galbraith und sein Sohn.

Obwohl der Aktien-Deal zumindest sehr nach Insiderhandel aussieht und die Transaktionen über Konten unter anderen Namen bei der britische HSBC-Bank liefen, bestreitet die KRG energisch irgendwelche unsaubere Machenschaften ihrerseits und des Ministers. Letztlich wäre es nur darum gegangen, der „DNO zu helfen Kapital für seine Projekte in Kurdistan zu beschaffen.“
Hawrami verteidigte die massive finanzielle Unterstützung von insg. 50 Mill. Dollar, die in seinem Namen an beide Firmen floß mit der Bedeutung deren Arbeit für die KRG: "Ein Scheitern dieser beiden Konzerne hätte das Scheitern der Gesamt-Politik der KRG bedeutet." (Iraq Kurdistan denies wrongdoing in DNO affair,
Reuters, 9.10.2009)
Evtl. werden weitere Nachforschungen noch genaueres über die Hintergründe dieser Geschäfte ergeben. Dar Al Hayat zufolge, die bereits vom "Tawke-gate" Skandal redet, hat auch die Wirtschaftskriminalitätsabteilung der norwegischen Polizei "Økokrim" Ermittlungen über die Transaktionen von DNO aufgenommen.

Irakische Abgeordnete im Öl- und Gasausschuss des Parlaments bezweifeln auf alle Fälle die Seriösität der Geschäfte sehr und fordern eine gerichtliche Untersuchung des Ganzen. Eine Regierung könne nicht einfach Aktien kaufen, ohne dies öffentlich zu machen, meinte z.B. Abdul-Hadi al-Hasani, ein Abgeordneter aus der Partei des Regierungschefs Nuri al-Maliki. "Und dies wurde auf eine sehr heimlichtuerische Weise getan." Andere fragen sich, wo das Geld dafür eigentlich herkam und was mit dem Gewinn geschah, der durch die Kurssteigerung der Aktien anfiel. (Ben Lando, Questions over DNO affair prompt Iraqi Parliament query, Iraq Oil Report, 30.9.2009)

Nachdem die Osloer Börse erklärt hatte, dass sich ihre Ermittlungen ausschließlich auf die DNO beziehen und die KRG selbst dabei keine Rolle spiele, beruhigte sich die kurdische Führung wieder. DNO nahm jedoch die am 22.9. unterbrochene Öl-Förderung nicht mehr im vollen Umfang auf.

Bagdad doch noch am längeren Hebel

Ausgelegt sind die Anlagen des Tawke-Feldes für die Förderung von 100.000 Barrel/Tag (bpd), die nach heutigen Preisen ca. 200 Mill. US-Dollar pro Monat einbringen würden. Es gab jedoch zunächst keine Möglichkeit diese zu exportieren.

Die irakische Regierung hat keine Möglichkeit, die KRG an Geschäften mit ausländischen Firmen zu hindern. Sie konnte allerdings durch den Auschluß solcher Frimen von Geschäften im übrigen Irak den Kreis der Interessenten klein halten. Und ihr gehören die Pipelines. In den ersten Jahren konnten daher nur aus dem Tawke-Feld nur kleine Mengen per Lastwagen in den Iran exportiert oder für den lokalen Verbrauch verkauft werden (2007 knapp 7.000 bpd) http://www.iraqoilreport.com/politics/iraq-northern-oil-allegedly-travelling-through-talabani-controlled-krg-and-into-iran-83/ .

Da die irakische Regierung sehr auf zusätzliche Einnahmen angewiesen ist, gab sie im Frühjahr teilweise nach: Seit Juni des Jahres kann das Öl aus dem Tawke-Feld über die Pipelines im Norden nach Ceyhan gepumpt werden. Durchschnittlich wurden bis Ende September 40.000-50.000 bpd exportiert (DNO Bericht für das 3. Quartal). Die Einnahmen daraus (immerhin 75-90 Mio. pro Monat) fließen allerdings in den Topf in den alle Öleinnahmen fließen, den Irak Development Funds, aus dem generell 17% an die KRG fließen.
Da die irakische Regierung die Verträge der KRG nicht anerkennt, sieht sie auch keine Veranlassung, den ausländischen Firmen einen Anteil zu überweisen. "Würden Sie jemand bezahlen, mit dem Sie keinen Vertrag haben?" fragte ein Sprecher des Ölministeriums Reporter zurück. Sie würden ja nicht einmal den Inhalt der Verträge kennen und könnten sie daher auch nicht beurteilen.

An sich müßte die KRG die Bezahlung ihrer Vertragspartner übernehmen. Der Anteil am Profit, den sie diesen zubilligte (18-20 Prozent des Nettoerlöses), übersteigt jedoch den Anteil den sie selbst bekommt.
Da das DNO-geführte Konsortium noch keinen Cent von den Einnahmen erhalten hat, hat es die Förderung runtergefahren und beliefert wieder per LKWs den „lokalen Markt“. Den anderen Konzernen, die im kurdischen Nordirak aktiv sind, geht es nicht besser.

Kurdisch-Autonome Region hat für Europa strategische Bedeutung

Die 30 Abkommen, mit denen die KRG einen Teil der irakischen Ressourcen zu wenig günstigen Bedingungen verschleuderte, sind eine der Folgen des unseligen Förderalismus-Konzepts, für das Galbraith mitverantwortlich ist. Er ermunterte die Kurdenführer, sich die Kontrolle über „ihr Öl“ zu verschaffen, was wiederum sehr starke Anreize schafft, das Herrschaftsgebiet auf andere ölreiche Gebiete auszudehnen. Die Konflikte, um die von den Kurdenparteien beanspruchten Landstriche verschärfen sich in dem Maße, je näher ein Abzug der Besatzer zu rücken scheint und können jederzeit in offene militärische Auseinandersetzungen zwischen den Peshmergas und den anderen irakischen Kräften umschlagen, vor allem die Situation in Kirkuk ist extrem explosiv.

Galbraith wirkte jedoch nicht nur im Eigeninteresse. Nach wie vor wird die Politik der KRG von den USA und den europäischen Staaten unterstützt. Vor allem für die EU hat der kurdische Norden eine zunehmende strategische Bedeutung.

Hier bohren mittlerweile nicht nur mehr als 30 ausländische Konzerne nach Öl, ihm ist auch eine wesentliche Rolle im Nabucco-Projekt zugedacht.Durch den Bau einer 8 Mrd. Euro teuren Gaspipeline durch Osttürkei in das Herz Europas soll bekanntlich die Abhängigkeit von russischem Erdgas reduziert werden – und zwar mit kurdischer Hilfe.

Seit Mai beteiligen sich die österreichischen und ungarischen Ölkonzerne OMV und Mol an der Erschließung der Khor-Mor- und Chamchamal-Gasfelder. 8 Mrd. $ wollen die Europäer in das Projekt stecken, und die Gasproduktion auf 30 Milliarden Kubikmeter pro Jahr steigern. Die Hälfte soll dann über Nabucco nach Europa fließen. Für die Europäer hängt viel von dem kurdischen Gas ab – es kann, so die FTD, über Erfolg oder Misserfolg von Nabucco entscheiden.
(Dossier: Wildes Kurdistan - Unter dem staubigen Boden im Nordirak schlummert das wohl letzte große Abenteuer der Ölindustrie,
Financial Times Deutschland vom 13.07.2009

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