Der Krieg gegen Libyen und die Rekolonialisierung Afrikas – Teil 2

Dies ist der zweite von drei Teilen. Er behandelt die ökonomischen und geostrategischen Interessen der westlichen Kriegsallianz in Libyen und Afrika.
Im ersten Teil geht es um die Vorbereitungen zum und die Kräfte hinter dem Libyen-Krieg, im dritten um den Krieg selbst, den aktuellen Stand der Dinge und die drohenden weiteren Eskalationsschritte.
Eine erste, kürzere Version des ganzen Textes erschien in Heft 2/2011 der Zeitschrift „Hintergrund“ – www.hintergrund.de. Eine aktualisierte und schon etwas längere Fassung ist im Libyen-Reader des Heidelberger Forum gegen Militarismus und Krieg enthalten (diesen gibt es hier als PDF, das aktuelle Flugblatt des Forums hier)  
Der Krieg gegen Libyen und die Rekolonialisierung Afrikas – Teil 2
Von Joachim Guilliard

Im Visier: libysches Öl und andere ökonomische Interessen

Der neue Krieg der NATO wird von der überwiegenden Mehrheit der Staaten in der Welt abgelehnt. Die meisten Menschen in Afrika, Asien und Lateinamerika sind überzeugt, dass er nicht zum Schutz der Zivilbevölkerung geführt wird, sondern für den unmittelbaren Zugriff auf die libyschen Öl- und Gasvorräte. In Europa herrscht jedoch bei der Einschätzung der Ziele des neuen NATO-Krieges auch bei Linken häufig Konfusion. Viele bezweifeln, dass hinter der Intervention ökonomische und strategische Motive stehen könnten. Gaddafi sei doch ein enger Partner der USA und der EU geworden, habe das Land westlichen Konzernen weit geöffnet und den Öl-Multis die Rückkehr auf die libyschen Ölfelder ermöglicht. [Damit seien auch, so liest man oft, die letzten Reste einer sozial fortschrittlichen und anti-imperialistischen Politik über Bord gegangen.]

Die Tatsache, „dass Gaddafi Libyen in den Weltmarkt und den neoliberalen Kapitalismus integriert“ habe und „von einem Feind des Westens zu einem der verlässlichsten Partner in der Region geworden“ sei, schreibt z.B. Ingar Solty in der Zeitschrift Sozialismus, schließe „die Möglichkeit aus, dass es beim Krieg gegen Libyen um dessen „Einreihung in den globalen Kapitalismus“ gehe. Schließlich sei die „Weltmarktintegration“ nicht einmal – wie anderswo – von IWF und Weltbank erzwungen worden, sondern aus eigenem Antrieb erfolgt. [1]

Hinter dieser Einschätzung steht ein sehr oberflächlicher Blick auf die Entwicklungen in Libyen. Er ignoriert zum einen die massiven Zwänge, denen Libyen durch die UN-Sanktionen und die Kriegsdrohungen aus Washington ausgesetzt war und überschätzt die Zugeständnisse an den Westen sehr. Zwar sind alle großen Ölfirmen wieder im Land, doch zu sehr restriktiven Bedingungen. Das libysche Engagement für die afrikanische Einheit und Unabhängigkeit steht diametral den Bemühungen der USA und der alten Kolonialmächte gegenüber, ihren Einfluss auszuweiten. (Zur Frage, wie fortschrittlich Libyen in sozialer Hinsicht bis Kriegsbeginn noch war, siehe „Zerstörung eines Landes – Droht Libyen der gleiche Absturz wie dem Irak? Überlegungen über den drohenden »Preis der Freiheit«, jW 5.5.2011)

Mit 46,6 Milliarden Barrel (ein Barrel sind 159 Liter) verfügt Libyen über die größten nachgewiesenen Ölreserven Afrikas und steht weltweit auf Platz acht. Da bisher nur ein Viertel der weiten Flächen Landes auf Kohlenwasserstoffvorkommen untersucht wurde, sind die Vorkommen vermutlich noch wesentlich größer.

Nur ein Fünftel der bekannten Vorkommen wurden bisher erschlossen, Libyen liegt daher mit einer Fördermenge von etwa 1,7 Millionen Barrel Rohöl am Tag (bpd) hinter Angola und Nigeria. Um seine Reserven nicht zu verschleudern, fördert das Land nur halb so viel, wie bis 1969 unter der Monarchie, als die großen westlichen Konzerne die Ölpolitik des Landes bestimmten. [Libyen war damals zwar in kurzer Zeit zum führenden Öl-Exporteur aufgestiegen, bekam aber den niedrigsten Preis weltweit pro Barrel.] „Nur zwei Länder haben die Kapazität ihre Ölproduktion zu verdoppeln: Libyen und Irak“, so 2005 Nabil Khodadad, von der Beraterfirma Chadbourne & Parke.[2] Libyen plant jedoch lediglich eine Steigerung auf 2,3 Million bpd. Aus Sicht der Öl-Multis liegt allein hier schon ein erhebliches, brach liegendes Potential.

Nach dem Sturz des von den USA und den Briten eingesetzten König Idris im Jahr 1969 waren nach und nach die meisten ausländischen Unternehmen verdrängt und die Ölproduktion in die Hände der staatlichen Libyschen Nationalen Ölgesellschaft LNOC überführt worden. Libyen wurde zum Vorreiter der OPEC-Staaten und setzte als erstes Land höhere Preise für sein Öl durch. Innerhalb von 10 Jahren verfünffachten sich daraufhin die Staatseinnahmen. Mit den Öleinnahmen konnte der Staat seinen Bürgern einen relativen hohen Lebensstandard verschaffen, den höchsten Afrikas. Sozialistische Ideen spielte bei allen damaligen Revolutionen eine wichtige Rolle, Libyen setzte sie jedoch wesentlich gründlicher um, als andere Länder der Region. Gesundheit und Bildung ist seitdem kostenlos, wichtige Güter und Dienstleistungen werden subventioniert, Alte, Witwen und Waisen erhalten eine Rente, Arbeitslose finanzielle Unterstützung u.v.m..

Es gelang jedoch nicht, Libyens Abhängigkeit vom Erdölexport zu verringern. Niedrige Rohölpreise und die gegen das Land verhängten Sanktionen brachten die Wirtschaft in den 1990er Jahren an den Rand des Ruins. Das Bruttoinlandsprodukt hatte sich am Ende fast halbiert, jegliche Modernisierung der Infrastruktur war blockiert. Die libysche Führung suchte daher nun einen Ausgleich mit dem Westen und machte dabei erhebliche Konzessionen. U.a. lieferte sie 1999 zwei Offiziere an Großbritannien aus, die für den Bombenanschlag auf ein Verkehrsflugzeug über dem schottischen Lockerbie verantwortlich gemacht wurden, obwohl die Beweise dafür äußerst zweifelhaft waren. [3]

Begrenzte und kontrollierte Öffnung

Die UN-Sanktionen wurden ab 1999 sukzessive gelockert und 2004 vollständig aufgehoben. Im Gegenzug machte Libyen seine Öl- und Gasindustrie für ausländische Unternehmen weit auf. Mittlerweile sind wieder alle großen US-amerikanischen und europäischen Ölkonzerne im Land aktiv.

Die Bedingungen im nordafrikanischen Land sind jedoch sehr rau. Die Öl- und Gas-Geschäfte werden seit August 2004 nach dem sogenannten EPSA-4 System abgeschlossen (EPSA: Exploration und Produktion Sharing Agreement). Mit den neuen Explorations- und Produktionsbeteiligungen zogen nicht nur die großen US-Konzerne wieder in Libyen ein, sondern führte durch die Beteiligung vieler asiatischer und russischer Firmen auch zu einer starken Diversifizierung der Anbieter. Das Vergabeverfahren wird zwar als sehr transparent gelobt – den Zuschlag erhält der, der sich mit dem geringsten Anteil am geförderten Öl bzw. Gas zufrieden gibt. Die EPSA-4- Verträge enthalten jedoch, so Bob Fryklund, dem ehemaligen Libyenchef des US-Multis ConocoPhillips, die strengsten Konditionen der Welt. Westliche Medien sprechen sogar von „Knebelverträgen“.[4]

Geschäfte sind nach diesem System grundsätzlich nur in Partnerschaft mit der nationalen Ölgesellschaft LNOC oder anderen staatlichen Unternehmen möglich, die dabei stets die Mehrheitsanteile (meist 60% und mehr) und somit die Kontrolle behalten. Schon für den Abschluss eines Vertrages sind hohe Zeichnungsgebühren hinzublättern. Bei der zweiten, 2005 durchgeführten Bieterrunde mussten die Interessenten z.B. jeweils 133 Millionen Dollar Gebühren an den libyschen Staat bezahlen und mehrere hundert Millionen für Explorationen bereitstellen. [5] Die Konzerne die den Zuschlag erhalten, tragen den größten Teil der Entwicklungskosten eines Ölfelds, die LNOC bleibt jedoch alleinige Eigentümerin.

[[Der britische Ölriese BP konnte sich zwar 2007 die Explorationsrechte für ein Gebiet der Größe von Kroatien sichern (55.000 Quadratkilometer) – das größte Engagement in der Firmengeschichte – musste dafür allerdings 600 Millionen Euro auf den Tisch legen. Der Konzern trägt alle Kosten und Risiken, muss sich aber bei einem Erfolg mit 20 Prozent der Produktionserlöse begnügen. Die russische Gazprom muss der LNOC sogar 90 Prozent des geförderten Öls aus dem von ihr betriebenen Ölfeld im Gadames-Becken überlassen.[6] ]]

Generell ist der Anteil der Ölproduktion, den ausländische Firmen für sich behalten können, mit durchschnittlich 11 Prozent recht bescheiden. Doch dafür ist das Öl von bester Qualität und liegt sehr nahe bei den europäischen Abnehmern, an die rund 70 Prozent der libyschen Öl- und Gasexporte gehen. Der Anteil libyschen Erdöls am Verbrauch der EU-Staaten liegt mittlerweile bei 10 Prozent, in Deutschland sind es 6 Prozent. [7]

Innerhalb von drei Jahren führte die LNOC vier Bieterrunden durch und vergab dabei 52 Verträge an knapp drei Dutzend Gesellschaften aus 20 Ländern. Der ersten Euphorie über die großen neuen Chancen, die sich in Libyen eröffneten, folgte aber oft Enttäuschung. Viele der Gebiete, für die Libyen Explorations-Konzessionen vergeben hatte, erwiesen sich als weit weniger ergiebig als erhofft. Eine Reihe von Ölkonzernen begann, Berichten zufolge, 2010 ihr Engagement in Libyen nach Ablauf der fünfjährigen Explorationslizenz zu beenden, darunter sollen auch die US-Konzerne Occidental und Chevron, sowie die französische Total sein.[8] Die ergiebigsten Ölfelder blieben zum großen Ärger der Öl-Multis weiterhin ausschließlich der LNOC und ihren Töchtern vorbehalten.[9]

Die Hoffnungen, dass Ausländern auch noch diese Goldgruben zugänglich gemacht werden, erfüllten sich nicht. Nach der vierten Vergaberunde entschied die LNOC, vorerst keine neue durchzuführen, sondern stattdessen die bestehenden Verträge nachzuverhandeln und dabei die älteren dem strengeren EPSA-4 Standard anzupassen – für die Ölfirmen ein schwerer finanzieller Rückschlag.

Petro-Canada musste z.B. für die Umstellung aller Verträge eine Abschlussgebühr von einer Milliarde Dollar bezahlen, sowie Investitionen in Höhe von knapp vier Milliarden Dollar für die Erneuerung alter und die Erforschung neuer Öl- und Gasvorkommen zusichern. Gleichzeitig mussten die Kanadier die Reduktion ihres Anteils am Output auf 12 Prozent akzeptieren. [10]

Anderen Firmen erging es nicht besser. Auch die italienische ENI, die seit langem in Libyen im Geschäft ist, Total (Frankreich) und Repsol (Spanien), um nur einige zu nennen, sahen sich zu Nachverhandlungen und der Zustimmung zu einer drastischen Senkung ihres Anteils am geförderten Rohöl gezwungen.

Die großen Ölkonzerne versuchten sich natürlich dagegen zu wehren. Letztlich hatten sie jedoch wenig in der Hand. Da sie bereits erhebliche Summen in die Erkundung gesteckt haben, kam ein Ausstieg nicht mehr in Frage. Die LNOC drohte zudem damit, weitere Entwicklung der Ölförderung zukünftig auch alleine durchzuführen könne.

Die Stimmung in der Branche, deren Investitionsvolumen in Libyen mittlerweile auf über 50 Mrd. Dollar geschätzt wird, fiel auf einen Tiefpunkt, als Gaddafi sie vor zwei Jahren mit öffentlichen Überlegungen verunsicherte, angesichts sinkender Mineralölpreise, einige Einrichtungen internationaler Ölkonzerne wieder zu verstaatlichen. [[Mit der kleinen kanadischen Firma Verenex Energy übernahm die LNOC tatsächlich eines der wenigen Unternehmen, die in den letzten Jahren einen größeren Fund machten – ein Ölfeld mit 2,15 Mrd. Barrel Öl, d.h. 5% der gesamten libyschen Reserven. Verenex sollte eigentlich an die chinesische CNPC verkauft werden, da die LNOC aber auf ihr Vorkaufsrecht bzgl. des libyschen Engagements pochte und den Deal blockierte, musste sie an die Libyer verkaufen, zu 70% des Preises, den CNPC geboten hatte.]]

Die Sorge um die Beständigkeit ihrer Geschäfte schürte im März letzten Jahres auch die Mitteilung der LNOC an die im Land aktiven US-Konzerne, dass Washingtons unfreundliche Politik gegenüber Libyen negative Auswirkungen auf ihre Geschäfte im Lande haben könne.[11]

Wirtschaftliche Liberalisierung unerwünscht

Zur gleichen Zeit kamen aus Tripolis aber auch andere Töne. Führende Kader aus dem „Ausschuss für Privatisierung und Investitionen“ der Regierung kündigten z.B. gleichfalls im März 2010 an, bis 2020 die Hälfte aller Staatsbetriebe in die Hände privater Investoren übergeben zu wollen. [12]

In der libyschen Führung stritten offensichtlich zwei Tendenzen: Die eine setzte auf eine stärkere Privatisierung, wollte mit bessere Konditionen für westliche Konzerne und Banken mehr ausländisches Kapital anlocken. Die andere wollte die Kontrolle über die Ressourcen des Landes behalten und propagierte eine stärkere „Libyanisierung“ der Ölproduktion. [13] Diese hat sich, gestützt auf die Stimmung in der Bevölkerung, letztlich meist als stärker erwiesen.

Trotz vieler vollmundiger Ankündigungen, mit denen große Erwartungen in der westlichen Geschäftswelt geweckt wurden, ist außerhalb des Öl- und Gassektors nicht viel passiert. 2000 hatte die libysche Führung zwar angekündigt, dass der Staat sich aus der Industrieproduktion zurückziehen wolle und im November 2003 auch eine Liste der ersten 360 Privatisierungskandidaten veröffentlicht. Die sich infolge steigender Ölpreise rasch entspannende Finanzlage des Landes nahm dem Verkauf von Staatsbetrieben jedoch jegliche Dringlichkeit. Bis 2010 waren erst 110 Staatsbetriebe tatsächlich privatisiert worden.[14] Zum größten Teil waren es kleinere Firmen, die an libysche Unternehmen oder Tascharukiayyas (Genossenschaften) verkauft wurden.

Selbstverständlich machten ausländische Konzerne blendende Geschäfte im Land, das nach langen Embargo-Jahren einen großen Nachholbedarf hatte und in großem Stil Infrastrukturprojekte vorantrieb. Siemens z.B. setzte in den letzten Jahren mehrere Hundert Millionen Euro mit Schaltanlagen und Gasturbinen sowie Steuerungssysteme, Pumpen, Motoren und Antriebe für das Wasserversorgungsprojekt „Great Man-made River“ um. Allein im Geschäftsjahr 2010 betrug der Umsatz mit libyschen Kunden 159 Mio. Euro.[15]

Ausländische Investoren kamen jedoch nur bei wenigen Gelegenheiten zum Zug. Einen größeren Umfang hatten nur die Verkäufe von 19 Prozent-Anteilen der Sahara Bank an die französische BNP Paribas 2007 und der Wahda Bank an die jordanische Arab Bank plc 2008.[16] Andere, gleichfalls stark an einem Einstieg in Libyen Interessierte, wie beispielsweise die britische Großbank HSBC, gingen leer aus. Das weltweit sechstgrößte Bankunternehmen unterhält zwar seit Jahren eine Repräsentanz in Tripolis, betreibt jedoch, wie HSBC zu Beginn der Aufstände vermeldete, „keine echte Geschäfte im Land.“ [17]

Auch das gewaltige Wasserprojekt, durch das die Küstenstädte mit den unter der Sahara liegenden gigantischen Grundwasservorräten versorgt werden, weckt sicherlich Begehrlichkeiten. Über das im Rahmen des „Great Man-Made River Project“ aufgebaute 4000 km langes Pipelinenetz wird Schätzungen zufolge noch mehrere hundert Jahre lang enorme Mengen Wasser fließen. [18]

Libyen hat das 25 Milliarden Dollar teuere Projekt bisher vollständig in Eigenregie betrieben und allein finanziert und damit, so Pepe Escobar, aus Sicht westlicher Banken und Konzerne ohnehin „ein sehr schlechtes Beispiel“ für Entwicklungsländer gegeben.[19] Das weltweite Geschäft mit dem Wasser wird von französischen Konzernen beherrscht, den „drei Schwestern“ Veolia, Suez-Ondeo und SAUR – die sich zusammen bereits 40 Prozent des Weltwassermarktes teilen.

Der Grund für die mangelnde Umsetzung der Privatisierungspläne liegt nicht nur im Widerstand innerhalb der libyschen Führung und Verwaltung gegen eine solche Liberalisierung, sondern der gesamten Gesellschaft. Bereits im September 2000 erschien in Al-Zahf al-Akhdar, einer Zeitschrift, die als Sprachrohr der Basisvolkskongresse angesehen wird, ein Bericht, in dem die Aktivitäten ausländischer Firmen in Libyen scharf kritisiert und als Gefahr für die libysche Gesellschaft dargestellt wurde.[21]

Die öffentliche Kritik an der Liberalisierungspolitik verschärfte sich 2005 als einige Subventionen abgebaut und Importzölle abgeschafft wurden. Gaddafi, dem ein gutes Gespür für die Stimmung in der Bevölkerung nachgesagt wird, initiierte daraufhin 2006 eine Regierungsumbildung, bei der der reformorientierte Schukri Ghanem das Amt des Ministerpräsidenten an seinen reform-skeptischen Vize verlor, jedoch mit dem gewichtigen Chefposten der LNOC entschädigt wurde.[22]

Die Ölmultis wurden nun angewiesen, alle Jobs, für die keine speziellen Kenntnisse nötig sind, an Libyer zu vergeben und zwar zu denselben Bedingungen, wie den ausländischen Angestellten. Zusätzlich wurden sie gesetzlich zu deren Weiterbildung verpflichtet. Im August 2009 gab die Regierung zudem eine Richtlinie heraus, nach der alle ausländischen Gesellschaften für die Tätigkeiten im Land einen libyschen Staatsbürger zum Geschäftsführer bestimmen müssen – für diese, angesichts dessen, dass sie den größten Teil der Investitionen tragen, ein schwer verdaulicher Brocken. Schukri Ghanem trat daraufhin zeitweilig von der Spitze des LNOC zurück und offenbarte damit erneut den ernsten Zwist innerhalb der libyschen Führung. Ghanem verkündete Anfang Juni in Rom seinen Übertritt ins pro-westliche Rebellenlager.

Der zukünftige Kurs in Bezug auf eine Liberalisierung der Wirtschaft war auch ein zentraler Punkt bei den Sitzungen der Basisvolkskongresse (BVK) im Februar 2009. Wie FAZ-Korrespondent Christoph Ehrhardt aus Tripolis berichtete, war die Stimmung auf deren Sitzungen eindeutig gegen die Pläne einer stärkeren Privatisierung und Liberalisierung der Wirtschaft und den Abbau von Subventionen. [23] Auch Gaddafis Vorschlag, die Regierung und die zentrale Verwaltung abzubauen und die Öl-Einnahmen den Leuten direkter zukommen zu lassen, fand wenig Anklang. Die meisten zeigten wenig Neigung, sich künftig z.B. selbst um die Gesundheitsfürsorge kümmern zu müssen und wollten das System der vom Staat verwalteten Sozialleistungen und Renten behalten. Nur 64 der 468 BVK stimmten schließlich dafür und die Pläne wurden nicht weiter verfolgt.[24]

Die Befürworter neoliberaler Reformen waren zunehmend frustriert. Ihre entschiedensten Verfechter wie Mahmoud Dschibril und Ali Al-Issawi, sitzen nun in den führenden Positionen der Gegenregierung. Die Mehrheit der Bevölkerung repräsentieren sie jedoch offensichtlich nicht. Sollte die NATO-Intervention einen Machtwechsel in Tripolis durchsetzen oder der Bürgerkrieg zu einer Teilung des Landes führen, können sich westliche Konzerne begründete Hoffnungen machen, in Zukunft besser zum Zuge zu kommen.

Ähnlich wie in Jugoslawien, liegt das Problem der Nato-Staaten nicht allein in einem zu selbständigen Staatschef, sondern vielmehr darin, dass die Mehrheit der Bevölkerung sich noch wesentlich renitenter gegen breitere wirtschaftliche Öffnung und neoliberale Reformen stellt. Der Krieg, die Sanktionen und die Zerstörung der Infrastruktur dienen daher auch dazu, diesen Widerstand zu brechen.

Gleichfalls begehrt: Bankwesen und Auslandsvermögen

Es gibt jedoch noch viel mehr, was westliche Banken und Konzerne in Libyen reizt. Aufgrund der extrem hohen Liquidität staatlicher Banken streben sie schon lange einen Einstieg in den libyschen Banksektor an. Während führende Ökonomien der Welt mit riesigen Defiziten zu kämpfen haben, die ihre Währung schwächen und ihnen die Neuaufnahme von Krediten erschwere, monierte der Internationale Währungsfonds (IWF) in seinem Jahresbericht 2010 zu Libyen, sitze das Land auf einem Überschuss [Netto-Auslandsvermögen] von 150 Millionen Dollar. [25]

Der Raub libyscher Guthaben hat bereits begonnen. Ende Februar froren die USA 32 Milliarden Dollar, die die „Libyan Investment Authority“ auf US-Banken deponiert hat ein, wenige Tage später blockierten EU-Staaten Anlagen libyscher Institutionen und Firmen in Höhe von 45 Milliarden Euro. Insgesamt wurden nach Angaben des ehemaligen Zentralbankchefs Farhat Omar Bengdara mittlerweile 130 Milliarden Dollar eingefrorenen. Diese Vermögenswerte – das Ergebnis jahrzehntelanger Exporte von Öl und Gas – werfen auch ohne Zutun Milliarden an Zinsen und Dividenden pro Jahr ab. Da Libyen nun aber nach Fälligkeit seiner Anlagen nicht reinvestieren kann, können die Depotbanken die Einlagen sukzessive für eigene Investitionen nutzen und Zinsen und Dividenden für sich behalten, Libyen verliert auf diese Weise nach Schätzung Bengdaras allein in diesem Jahr rund zwei Milliarden Dollar.

Doch sind das fast schon Nebensächlichkeiten. Schon unmittelbar nach Verabschiedung der UN-Resolution 1973 hat der Übergangsrat in Bengazi parallel zu einer neuen „Libyschen Ölgesellschaft“ auch eine „Zentral Bank von Libyen“ gegründet. So wie die neue Ölgesellschaft dazu bestimmt ist, der staatlichen LNOC die Öl- und Gas-Geschäfte in dem von Übergangsrat kontrollierten Gebieten zu entreißen, soll die neue Finanzinstitution offenbar, wie Äußerungen westlicher Politiker nahelegen, das eingefrorene Auslandsvermögen Libyen übernehmen.

Während die Libysche Zentralbank zum Ärger der westlichen Finanzwelt völlig unabhängig von ausländischen Banken und dem Internationalen Währungsfond ist, soll die neue offensichtlich ganz anders gestrickt sein . Der britische Bankgigant HSBC, der den größten Anteil am libyschen Auslandsvermögen verwaltet, eilte bereits nach Bengasi, um den Aufbau der Rebellenbank zu betreuen.[26] Die anderen westlichen Großbanken werden sicherlich, sobald es opportun erscheint, folgen – ähnlich wie im Irak, wo sie nach der Invasion die Hauptanteile der neuen Zentralbank unter sich aufteilten.

Die italienische Großbank Unicredit, die Nummer zwei in Europa, ist ebenfalls schon in Bengasi aktiv. Ihr Vizepräsident ist der bisherige Chef der libyschen Zentralbank, Farhat Omar Bengdara und dieser bemüht sich nun auf Seiten der Rebellen um den Zugriff auf das libysche Vermögen und den Verkauf von Rohöl (siehe im 1. Teil den Abschnitt über die libyschen Verbündeten der Westallianz). Libyen ist mit 7,6 Prozent zweitgrößter Aktionär der italienischen Bank-Austria-Mutter UniCredit. Das libysche Investment wurde von der Regierung und rechten Medien so heftig angegriffen, dass der Langzeit-Bankchef Alessandro Profumo 2010 schließlich zurücktreten musste. Dieser dürfte nun durch das Wirken Bendaras rehabilitiert sein, der sein Amt als Vizepräsident, trotz der Einfrierung der Stimmrechte der libyschen Aktionäre behielt.

Damit der Unmut über ausbleibende Gehälter und mangelnde Versorgung in den von den Aufständischen kontrollierten Gebieten nicht in Gegnerschaft umschlägt, will Bengdara den Rebellen mindestens 3,6 Mrd. Dollar zukommen lassen. Zunächst sollen diese als Kredite locker gemacht werden, für die die Auslandsguthaben als Sicherheit dienen. Die EU müsse schnell handeln, so der Banker gegenüber dem Corriere de la Sierra, denn wenn in den „befreiten Gebieten“ kein Geld zirkuliere, können auch diejenigen, die einen Job haben, ihr Gehalt nicht bekommen. Und wenn es kein Brot gebe, würden die Menschen am Ende auf die Straße gehen: Dies wäre sehr schlecht für die europäischen Länder, die intervenieren.

Schon diese Verpfändung von Eigentum, das ihnen nicht gehört, wäre  Diebstahl. Er plant jedoch mit seinen Kollegen bei UniCredit die Übernahme der gesamten eingefrorenen libyschen Kapitalanlagen.

Seine Idee ist es, einen Treuhandfonds zu etablieren, dem sie übertragen und damit wieder verfügbar gemacht werden. Unicredit scheint bereit, einen solchen Fonds zu managen, zusammen mit einem internationalen Kuratorium aus Treuhändern, die von den USA und Europa benannt werden, sowie libyschen Beratern.

Rekolonialisierung – im Kampf um Afrikas Rohstoffe

Es geht jedoch nicht nur um die libyschen Ressourcen. Die gleichzeitige französische Intervention in der Elfenbeinküste deuten wie die forcierte Ausweitung der militärischen Präsenz der USA in Afrika, auf weitere, über Libyen hinausgehende Ziele hin: die Sicherung und Ausweitung westlicher Dominanz auf dem gesamten afrikanischen Kontinent, um dessen Rohstoff-Ressourcen ein erbitterter Wettkampf stattfindet.

AFRICOM – das Afrika-Kommando der USA

Die Konkurrenz wirtschaftlich aufstrebender Nationen auf dem schwarzen Kontinent, allen voran China, wird von Washington als große Bedrohung wahrgenommen. Eine Reaktion auf diese Entwicklung war die Gründung von AFRIKOM als eigenständiges Oberkommando der US-Streitkräfte. Ein entscheidender Anstoß dafür war ein Report der „Afrikanischen Öl-Politik-Initiativen-Gruppe“ AOPIG von 2002 gewesen, der hervorhob, dass die USA bis 2015 über 25 Prozent ihres Erdöls aus Afrika beziehen werden und auf die zunehmend engeren Beziehungen zwischen afrikanischen Ländern und China hinwies. Auch lokale Konflikte, wie der erbitterte Widerstand der Bevölkerung Nigerias gegen die rücksichtlose Ausbeutung der Ölressourcen im Nigerdelta dürfte eine Rolle gespielt haben.

„Es geht nicht nur um das libysche Öl, sondern um die afrikanischen Ölreserven und die Rohstoffe des ganzen Kontinents“ befürchtet daher auch Molefi Asante, Professor für Afrikanisch-Amerikanische Studien an der Temple University in Philadelphia. [27] Der Westen reaktiviere „Kalte-Kriegs-Maßnahmen“ um seine ökonomischen Interessen auszuweiten und zu schützen. Er sieht eine große Gefahr darin, dass die USA die Angriffe auf Libyen als Test für die Effektivität von AFRICOM benutzt und der Krieg die Tür zu weiteren direkten Interventionen in Afrika öffnen wird.

Zwar wollte kein afrikanisches Land sich so exponieren, das Hauptquartier von AFRICOM bei sich aufzunehmen, doch fast alle ließen sich – mehr oder weniger stark – in militärische Partnerschaften einbinden, die meist auch die Bereitschaft verlangt, US-Truppen ins Land zu lassen. Das immer noch bei Stuttgart stationierte Oberkommando organisierte bereits eine ganze Reihe gemeinsamer Manöver in Afrika oder vor der afrikanischen Küste, an denen neben eigenen Truppen und unterschiedliche Gruppen afrikanischer Länder auch Einheiten ehemaliger europäischer Kolonalmächten teilnahmen. Hunderte afrikanische Offiziere absolvierten bereits Lehrgänge in Militärschulen der USA.

In den knapp drei Jahren, seit es zum unabhängigen Kommando wurde, hat AFRICOM dadurch direkte militärische Beziehungen zu den Streitkräften von 50 afrikanischen Staaten aufgenommen. Nur fünf Staaten verweigerten sich bzw. wurden nicht gefragt: Libyen, Sudan, die Elfenbeinküste, Eritrea und Zimbabwe.

[[Eritrea war bereits mit den, im benachbarten Dschibuti stationierten, rund 5000 US-amerikanischen und französischen Truppen konfrontiert, die bei einer Grenzstreitigkeit mit seinem Nachbarn vor drei Jahren auf Seiten Dschibutis intervenierten. [28]]]

In der Elfenbeinküste hat das französische Militär nach den umstrittenen Wahlen mit Alassane Ouattara einen stellvertretenden Direktor des Internationalen Währungsfonds ins Präsidentenamt gehievt, der das Land jetzt in das von den USA und der NATO geformte Militärbündnis „West African Standby Force“ führen wird. Der Sudan wurde geteilt, Libyen liegt unter Feuer und Zimbabwe gilt neben Syrien als wahrscheinlichster Kandidat für den nächsten Angriff der NATO-Staaten.

Nicht tolerierbar: Libyens Engagement für die wirtschaftliche Unabhängigkeit Afrikas

Libyens Engagement für eine Einigung der afrikanischen Länder – u.a. durch die Förderung der Afrikanischen Union – und die Beihilfe zu mehr wirtschaftlicher Unabhängigkeit stehen dem Bemühen der USA und der alten Kolonialmächte, ihren Einfluss in Afrika wieder auszuweiten diametral entgegen.

„Es war Gaddafis Libyen, das Afrika die erste Revolution in neuester Zeit ermöglichte“, schrieb der Kameruner Experte für Geostrategie Jean-Paul Pougala, „die den ganzen Kontinent durch Telefon, Fernsehen, Radio und verschiedene andere Anwendungen wie Tele-Medizin und Fernstudium verband.“ Denn es war libysches Kapital das entscheidend für die Realisierung des ersten afrikanischen Telekommunikationssatelliten beitrug. Über zehn Jahre lang hatten die 45 afrikanische Staaten, die sich 1992 in der RASCOM (Regional African Satellite Comunication Organization) zusammengeschlossen hatten vergeblich versucht Kapital dafür aufzunehmen und mit eigenen Satelliten die horrenden Gebühren von jährlich 500 Millionen Dollar die aus Afrika an europäische und amerikanische Firmen flossen, zu reduzieren. Doch Weltbank, Internationale Währungsfonds, USA und EU hielten die Afrikaner immer wieder hin. 2006 beendete Libyen das unwürdige Spiel und stellte 300 Millionen Dollar für das Projekt zur Verfügung. Die Afrikanische Entwicklungsbank steuerte weitere 50 Millionen bei. Nachdem der erste Satellit im Dezember 2007 seinen Dienst aufgenommen hatte, stiegen auch China und Russland ins Geschäft ein, weitere Satelliten wurden in den Orbit gestellt und machten die Afrikaner Schritt für Schritt von den westlichen Satellitensystemen unabhängig, denen dadurch nun hunderte Millionen Dollar jedes Jahr an Einnahmen verloren gehen. [29]

Bedrohlicher noch aus westlicher Sicht ist der Aufbau dreier unabhängiger afrikanischer Finanzinstitute, mit der die Afrikanischen Union begonnen hat und für deren Gründung libysche Gelder die Basis bilden: die Afrikanische Investmentbank, der Afrikanische Währungsfonds und die Afrikanische Zentralbank. Die Entwicklung dieser Institute würde es den afrikanischen Ländern ermöglichen, sich der Kontrolle von Weltbank und Weltwährungsfonds IWF, Instrumenten der neokolonialen Herrschaft, zu entziehen. Der Afrikanische Währungsfonds soll die gesamten afrikanischen Aktivitäten des IWF übernehmen, die, so Pougala, mit einem Umfang von nur 25 Mrd. Dollar einen ganzen Kontinent auf die Knie zwang.

Mit Hilfe der Afrikanischen Zentralbank könnten sich die 14 ehemaligen französischen Kolonien eine neue Währung schaffen, die den CFA-Franc endlich ablöst, der nach wie vor Frankreichs wirtschaftliche Dominanz in diesen Ländern sichert. Ohnehin ist Libyens wachsender Einfluss in Frankreichs einstigen Kolonien, die Auswirkungen auf deren Rohstoffexport-Konditionen haben, eine direkte Bedrohung französischer Interessen.

Siegt die Kriegsallianz oder werden die libyschen Auslandguthaben einfach so den Rebellen zugeschlagen, so würde das all diesen afrikanischen Unternehmungen einen schweren Schlag versetzen. Viele Projekte, die z.B. von der Libysch-Arabisch-Afrikanische Investment Gesellschaft südlich der Sahara betrieben werden, sind bereits jetzt durch das Einfrieren der libyschen Fonds stark beeinträchtigt.[30]

Es ist daher nicht übertrieben, wenn der nigerianische Poet und Journalist schreibt, der Einsatz westlicher – insbesondere französische – Truppen in Afrika, stellte „eine neue strategische Kriegserklärung gegen Afrika, die afrikanischen Interessen und den afrikanischen Kontinent“ dar.[31]

Störenfriede am Mare Nostrum der NATO

Gaddafi stellte sich auch gegen die von der EU 2008 gegründeten „Mittelmeerunion“ und nannte sie einen „neo-kolonialen Trick“ zur Zerstörung der arabischen und afrikanischen Einheit. Treibende Kraft hinter dieser Initiative, die 27 EU-Staaten mit den 17, nicht zur EU gehörenden Mittelmeerländern in einer neuen Union zu vereinen, war der französische Präsident Nicholas Sarkozy. Seine „große Idee“ dahinter, so der britische Daily Telegraph „ist Roms imperiales Zentrum der Welt als einigenden Faktor zu benutzen, um 44 Länder, Heimat von 800 Millionen Menschen zusammenzuführen.“ Der libysche Führer begründete seinen Boykott damit, dass diese nur ein weiterer imperialistischer Ansatz sei, die südlichen Länder unter Kontrolle zu halten. Drei Jahre später bombardieren Sarkozys Mirage- und Rafale-Kampfjets Gaddafis Truppen.[32]<

Der Krieg gegen Libyen ähnelt in einigen Punkten dem Jugoslawien-Krieg, dem ersten Krieg der NATO. So hatten die Bomben auf Serbien nicht nur die Abtrennung der serbischen Provinz Kosovo zum Ziel, sondern auch den Sturz eines missliebigen Regimes. Dies gelang in Restjugoslawien schließlich durch eine vom Westen geführte „bunte Revolution“. Wäre die NATO auch gegen Libyen erfolgreich, so wäre das Militärbündnis noch einen Schritt weiter, das Mittelmeer, das einstige Mare Nostrum Roms, das im Schnittpunkt dreier Kontinente liegt, zum Binnenmeer der NATO zu machen. Nach dem Anfang des Jahres auch Zypern der NATO-Partnerschaft beitrat, Israel, Jordanien, Ägypten, Algerien, Tunesien und Marokko durch den „Mittelmeer Dialog“ der Allianz eingebunden sind, stehen aktuell nur noch drei Mittelmeeranrainer außerhalb des Militärbündnis: Syrien, Libanon und Libyen.

„Partnerschaft“ mit der Nato bedeutet Öffnung des Landes für dessen Militär, insbesondere für US-Truppen und die US-Marine. Die Militär-Basen der USA breiten sich dadurch immer weiter über den Globus aus und erweitert damit auch die Fähigkeit der US-Streitkräfte überall in der Welt zuzuschlagen. So ermöglichte ihnen ihre massive Präsenz im Mittelmeerraum beispielsweise aktuell, wie US-Admiral Gary Roughead vor kurzem freimütig erklärte, die Angriffe auf Libyen – trotz der geringen Vorlaufzeit – unverzüglich nach der UN-Resolution zu beginnen. Alles war schon vor Ort und bereit zum Losschlagen.

Nicht nur Deutschland, auch andere NATO-Staaten stehen dem Krieg eher ablehnend gegenüber. Nur 14 der 27 Mitglieder beteiligen sich, gerade mal sechs bomben mit. Letztlich wird der Krieg nach wie vor von den drei Staaten geführt, die ihn begannen. Mit den USA, Großbritannien und Frankreich sind dies genau die drei militaristische Mächte, so der US-amerikanische Politologe James Petras, die ökonomisch im Niedergang sind. Ihre letzen beiden Trümpfe sind ihre militärische Stärke und ihr starker Einfluss auf viele Länder Afrikas und Asiens. Auf der anderen Seite stehen mit den BRIC-Staaten (Brasilien, Russland, Indien und China) die wirtschaftlich aufstrebenden Länder gegen den Krieg. [33] Mit Deutschland scherte das westliche Land aus der Kriegsfront aus, das aktuell am wenigsten Probleme im internationalen Wettbewerb hat.

Trotz erheblicher Differenzen schlossen sich aber am Ende doch die meisten westlichen Staaten zumindest – wie Deutschland – indirekt der Kriegsallianz an. „Das unsichtbare Band das sie zusammenbindet“, so die chinesische People’s Daily, „ist ihr gemeinsames Ziel, die Dominanz des Westens in internationalen Angelegenheiten zu erhalten. … Obwohl es eine wachsende interne Kluft in der westlichen Welt gibt, werden sie weiterhin zusammenhalten, wenn sie ihren dominanten Status bedroht fühlen.“ [34]

[1] Ingar Solty, Öl, Kontrolle und Ideologie, Sozialismus 25.4.2011
[3] Siehe z.B. El Megrahi – das Bauernopfer der Lockerbie Tragödie?, Austrian Wings Luftfahrtmagazin, 22.8.2009, Ausführliche  Informationen zum Thema findet man auf der Lockerbie Seite von Prof. Hans Köchler, dem Lockerbieprozeß-Beobachter der UNO. http://i-p-o.org/lockerbie_observer_mission.htm
[4] Alle wollen Libyens Öl, ZEIT online, 6.5.2009, siehe auch Energy profile of Libya, Encyclopedia of Earth , 25.8.2008
[6] Alle wollen Libyens Öl, ZEIT online, 6.5.2009
[7] s. Jean-Pierre Sereni, Am Anfang war der Rote Scheich – Eine kleine Geschichte des libyschen Öls, Le Monde diplomatique, 8.4.2011
[8] Companies Begin Exiting Libyan Upstream, Energy Intelligence Group, 10.11.2010
[9] Party's Over For Libya's Epsa-4 Pioneers, Energy Intelligence Group, 7.12. 2009
[10] Petro-Canada Signs 30-Year Pact With Libya, Cable 08TRIPOLI498, 24.8.2008, Wikileaks
[11]Ronald Bruce St John, The Slow Pace of Reform Clouds the Libyan Succession, ARI 45/2010 11.3.2010
[14] New Head Of Libyan Privatization Board Welcomes U.S. Firms, US-Botschaft in Tripolis, 16.2.2010, WikiLeaks Cables
[15] Siemens in Libyen, Siemens (www.siemens.com), November 2010
[16] Libyen geht bei Privatisierung mit Bedacht vor, Germany Trade and Invest, 08.10.2008
[19] Pepe Escobar, There's no business like war business, Asia Times, 30.3.2011
[20] Country Brief LIBYA, eStandardsForum, Financial Standards Foundation, 30.7.2010
[21] Ronald Bruce St John, The Changing Libyan Economy: Causes and Consequences, Middle East Journal, Vol. 62 No.1, Winter 2008
[22] William Wallis, Libya’s reformist PM is ousted, Financial Times, 6.3.2006.
[23] Christoph Ehrhardt, Öl in Libyen - Alle Milliarden dem Volke – „Basisvolkskongresse“ beschäftigen sich in Libyen mit der Frage, wer wie viel aus dem Ölreichtum bekommen soll., FAZ, 27.2.2009
[27]Colin Benjamin, Libya, AFRICOM, And US Scramble For Africa, Black Star News, 8.4.2011
[28] Rick Rozoff, Libyan War And Control Of The Mediterranean, Stop NATO, 25.32011
Paul Craig Roberts, New Colonialism: Washington’s Pursuit Of World Hegemony, Global Research, 31.3.2011
[29] Jean-Paul Pougala, Les mensonges de la guerre contre la Libye, Afrohistorama, 31.3.2011 / engl.: The lies behind the West's war on Libya, Pambazuka, 14.4.2011
[31]Obi Nwakanma, Libya: NATO's War Of Aggression Against A Sovereign African State, Vanguard (Nigeria), 5.6.2011
[33] James Petras and Robin E. Abaya, The Euro-US War on Libya: Official Lies and Misconceptions of Critics, thepeoplesvoice.org, 30.3.2011

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