Irak: Im Clinch ums Öl - ZgK 29

Artikel in: Zeitung gegen den Krieg - ZgK Nr. 29, Sept. 2009

Öl-Multis und Washington sind vom Zugriff auf das irakische Öl weit entfernt.
von Joachim Guilliard
(Der Artikel ist eine stark gekürzte Version des Artikels "Iraks Öl: Wer dreht am Rad?" in junge Welt vom 05.08.2009)
 
Ölverträge im Angebot
BP, Exxon Mobil, Royal Dutch Shell, Total, Chevron etc. lauern schon lange auf die Chance zur Rückkehr in das Land, in dem nach Saudi Arabien die weltgrößten Reserven des schwarzen Goldes liegen – von bester Qualität und sehr billig zu fördern.
Bis jetzt ist die Besatzungsmacht in ihrem Bemühen, den westlichen Konzernen Zugriff aufs irakische Öl zu verschaffen, nicht weit gekommen. Breiter Widerstand auf allen Ebenen, auch im Parlament, hat bisher alle wichtigen diesbezüglichen Maßnahmen verhindert. Auch die Maliki-Regierung sah sich bisher gezwungen, der allgemeinen ablehnenden Haltung im Land Rechnung zu tragen. Das für die US-Pläne zentrale neue Ölgesetz ist blockiert, einige schon unterschriftsreife Verträge mit Shell, BP & Co. mussten wieder verworfen werden.[1]

Die Opposition gegen die Privatisierung gerät jedoch zunehmend in die Defensive. Nach sechs Jahren Missmanagement setzt der Einbruch des Ölpreises die irakische Regierung erheblich unter Druck, den Ölkonzernen für ein paar schnelle Dollarmilliarden entgegenzukommen. Um die Förderquote rasch von aktuell 2 bis 2,5 Millionen Barrel pro Tag (b/d, 1 Barrel = 159 l) auf über 4 Millionen zu erhöhen, bietet das Ölministerium den großen ausländische Ölkonzernen nun gleich acht Großaufträge für Iraks größte Lagerstätten auf einen Schlag an. Eine erste öffentliche Bieterrunde fand Ende Juni statt.

Es geht dabei jedoch nicht um die Verkauf von Ölfelder oder Förderlizenzen, wie es in den Medien hieß, sondern um Dienstleistungsverträge für Lagestätten, aus denen längst gefördert wird. Diese enthalten den Auftrag, die Fördermengen eines bestimmten Ölfeldes auf ein festgelegtes Niveau zu bringen, indem die bestehenden Förderanlagen repariert, modernisiert und ausgebaut werden. Die Auftragnehmer übernehmen dabei zunächst die vollen Investitionskosten, bekommen diese und alle sonstigen anfallenden Kosten zurückerstattet, sobald die Produktionssteigerung erreicht ist. Die Vertragslaufzeiten sind mit 20 Jahren ungewöhnlich lang.
Die Ölkonzerne erhalten als Gegenleistung für ihr Engagement einen fixen Betrag für jedes Barrel, um das die Produktion gesteigert wurde und ein Vorrecht auf Folgeverträge zur Erschließung und Ausbeutung bereits bekannter, aber noch unerschlossener Lagerstätten in dem betroffenen Ölfeld. [2]
Da die irakische Regierung und ihre US-amerikanischen „Berater“ wussten, wie unpopulär Verträge mit den westlichen Ölmultis sind, waren sie peinlich bemüht, jeden Anschein eines Ausverkaufs irakischer Ressourcen zu vermeiden. Die Ölquellen bleiben daher vorerst vollständig in der Hand des Iraks, alle Anlagen werden Eigentum der regionalen staatlichen Ölfirma. [3]

Rückkehr durch den Dienstboteneingang

Aufgrund dieses beschränkten Angebots reagierte „Big Oil“, das seit 2003 mit aller Kraft darauf hinarbeitet, Ölfelder in eigener Regie ausbeuten zu können, allerdings sehr verhalten auf die irakischen Angebote. Nur das Konsortium aus dem britischen Öl-Giganten BP und der staatlichen China National Petroleum Corporation (CNPC) war am Ende bereit, sich auf die aktuellen Bedingungen einzulassen und ein für die Iraker akzeptables Angebot zu unterbreiten. Es erhielt dafür den Zuschlag für Rumaila, das größte Ölfeld im Irak, das ein Sechstel der bekannten Reserven Iraks umfasst und aktuell fast die Hälfte des irakischen Öls liefert.

BP und CNPC hatten für Rumaila zunächst eine Förderprämie von 3,99 Dollar pro Barrel verlangt, ließen sich jedoch schließlich auf die 2 Dollar herunterhandeln, die der Irak als Obergrenze nannte. Ein von ExxonMobil geführtes Konsortium wollte dafür 4,80 Dollar, für andere Ölfelder wurden bis zu 21,40 Dollar verlangt. Das BP-CNPC Konsortium verpflichtete sich bei seinem Gebot, den Output der vereinten Ölfelder Nord- und Süd-Rumaila von einer Million b/d auf 2,85 Mio. zu steigern und kann dafür mit Einnahmen von 10 Mrd. Dollar rechnen. Mit BP kommt damit einer der mächtigen Öl-Konzerne, die vor gut 30 Jahren aus dem Land geworfen worden waren, wieder zurück in den Irak, wenn auch nur durch den „Dienstboteneingang“. Die anderen Konzerne und Konsortien haben jetzt noch Gelegenheit ihre Gebote nachzubessern.

Gefährliche Schritte in die Privatisierung

Service-Verträge mit denen eine Regierung oder eine staatliche Ölfirma Aufträge an ausländische Konzerne für einen festen Preis vergibt, sind völlig normal im Ölgeschäft. Dies wird in den vollständig nationalisierten Industrien Saudi Arabiens oder Kuwaits so praktiziert und auch im Irak wurden solche Aufträge früher schon vergeben. Dennoch bedeuten die nun angebotenen Verträge, sollten sie tatsächlich zustande kommen, einen bedeutenden Schritt in die Privatisierung der irakischen Ölproduktion und sind mit erheblichen Nachteilen und Gefahren für die Zukunft des Landes verbunden.
Im Irak regt sich daher massiver Widerstand dagegen, vorneweg die Führung der staatlichen Ölindustrie. „Die Dienstleistungsverträge werden die irakische Wirtschaft in Ketten legen und ihre Unabhängigkeit für die kommenden 20 Jahre einschränken“, erklärte der Chef der staatlichen South Oil Company (SOC), Fayal al-Nema, den Medien. „Leichtfertig verschleudern sie irakische Einkünfte.“ [4]
Auch im irakischen Parlament herrscht Unmut über die „Einmischung“ der ausländischen Konzerne. Der Öl-Ausschuss besteht darauf, dass solche Verträge nach dem aktuell noch gültigen Recht vom Parlament gebilligt werden müssen und hatte al-Shahristani aufgefordert, die Bieterrunde zu verschieben.
Die irakischen Ölgewerkschaften, die in der Vergangenheit bereits erfolgreich gegen Maßnahmen vorgingen, die die nationale Kontrolle des Ölreichtums beeinträchtigen könnten, protestierten ebenfalls. Durch die Verträge werde die irakische Wirtschaft der Lust und Laune ausländischer Konzerne ausgesetzt, sowie den Spekulationen des Weltmarktes, heißt es in der Erklärung der „Iraqi Federation of Oil Unions“, IFOU. Dies werde die Kontrolle der irakischen Regierung über den Ölreichtum schwächen und diesen Konzernen ermöglichen, einen erheblichen Einfluss auf das politische und wirtschaftliche Leben Iraks zu nehmen.[5]

Selbstgeschaffene Sachzwänge

Die finanzielle Zwangslage in der die irakische Regierung durch Einbruch des Ölpreises geriet, ist im Wesentlichen hausgemacht. Wäre nur ein Teil der für den „Wiederaufbau“ bestimmten Gelder, die spurlos verschwunden oder wirkungslos versackt sind, auf effektive Weise in die Reparatur und Modernisierung der Erdölförderung und -verar¬beitung investiert worden, so wären die Förderkapazitäten längst bedeutend höher. Kritiker, wie die Ölgewerkschaften, sehen daher hinter dem mangelnden Ausbau der Ölförderung nicht nur Unfähigkeit, sondern die Absicht das Engagement ausländischer Firmen als unvermeidlich erscheinen zu lassen. Die Verzögerung staatlicher Investitionen habe erst den Zwang geschaffen, ausländische Ölfirmen einzuladen, so der Präsident der IFOU.[6]

Dies kann der vorige Chef der SOC, Jabbar al-Luaibi, bestätigen. Das Ölministerium sei, so al-Luaibi vor kurzen in einem Interview, die ganzen Jahre über entweder nicht willens oder nicht fähig gewesen, in vernünftiger Zeit dringend benötigte Reparaturmaßnahmen und Ausrüstung zu bewilligen.[7] Bei einem Ölfeld gingen z.B. monatelang 30.000 Barrel Öl am Tag verloren, weil die Anschaffung neuer Durchlauftanks nicht bewilligt wurden. Die Tanks kosteten 3 bis 4 Millionen Dollar, der Gesamtverlust betrug über eine Milliarde Dollar.

Sowohl al-Luaibi wie der aktuelle Chef der SOC, al-Nema, sehen die irakische Ölindustrie durchaus in der Lage den Output aus eigener Kraft entscheidend zu steigern. Mit den aktuellen Projekten sind sie gerade dabei, die Fördermenge innerhalb den nächsten zwei Jahren um 500.000 Barrels pro Tag zu steigern, so al-Nema. Und al-Luaibi hat dem Ölminister einen Zweijahresplan unterbreitet, der durch den Ausbau einiger Quellen eine problemlose Steigerung des Outputs um insgesamt 300.000 bis 350.000 b/d ermöglichen würde – und dies für nicht mehr als 500 Millionen Dollar, d.h. soviel wie diese Menge in einem Monat einspielen würde. Es gibt für die beiden somit keine zwingende Notwendigkeit, jetzt im großen Stil Ölmultis ins Land zu holen und dafür Milliarden aus den Öleinnahmen auf deren Konten umzuleiten.
Auch unabhängige Experten wie Greg Muttitt sehen große Nachteile darin, ausgerechnet jetzt, wo die irakische Regierung schwach ist, in massiver Finanznot steckt und keine Erfahrung mit juristisch ausgefuchsten Ölfirmen hat, langfristige Verträge abzuschließen. Sie raten ebenfalls, die Fördermengen langsamer zu erhöhen und sich dabei auf die Restaurierung der bereits produzierenden Ölfelder zu konzentrieren. Diese Arbeit liegt auch ihrer Ansicht nach völlig innerhalb der Möglichkeiten irakischer Firmen, in einzelnen Fällen unterstützt durch spezialisierte ausländische Wartungsfirmen.

Es gibt insbesondere keinen zwingenden Grund, ausgerechnet die großen westlichen Öl-Multis mit dem Ausbau der irakischen Ölförderung zu beauftragen, die normalerweise überhaupt kein Interesse daran haben. Weder BP noch ExxonMobil haben jemals solche Aufträge in irgendeinem anderen Land ausgeführt.[8] Sie streben „Production Sharing Agreements (Produktionsteilungsabkommen, PSAs) an, bei denen sie das Risiko beim Kapitaleinsatz voll übernehmen, dafür jedoch die Förderung kontrollieren und über einen saftigen Anteil am Ölexport wesentlich höhere Gewinne erzielen können. Im Irak geht es ihnen im Moment, wo aufgrund der Blockade des neuen Ölgesetzes bessere Abkommen nicht zu bekommen sind, nur darum, einen Fuß in die Tür zu bekommen. BP wollte beim größten irakischen Ölfeld nichts anbrennen lassen und hat zugegriffen. Die anderen setzen darauf, dass Washington und der leeren Kassen die irakische Regierung dazu nötigen werden, ihre Angebote nachzubessern.

Widerstand bleibt stark

Die Gegner eines breiten Einstiegs von „Big Oil“ haben gute Argumente und die weitere Entwicklung ist nicht ausgemacht. Selbst der Vertrag mit dem von BP geführten Konsortium ist noch nicht unter Dach und Fach. BP drängt auf einen Vertragsabschluss im August. Der anhaltende Widerstand aus der Ölindustrie und dem Parlament dürfte ihn jedoch noch weiter verzögern.
Und auch dann wäre noch nicht alles entschieden. Die Bewegung des schiitischen Klerikers Muqtada al-Sadr hat angekündigt, es werde “eine starke entschlossene Reaktion unsererseits geben und wir werden die Arbeit dieser Firmen stoppen.“ Und auch die Union der Ölgewerkschaften droht mit physischem Widerstand: „Die Gewerkschaft wird Proteste und Streiks organisieren, sobald die ausländischen Firmen in Basra eintreffen“, versicherte Generalsekretär Faleh Abood Umara.[9]

[1] Siehe J. Guilliard, Neoliberaler
Kolonialismus im Irak
, Friedensforum Juni/Juli 2009

[2] Siehe FACTBOX – Iraq's oil service contracts, Reuters, 26.6. 2009. Einen detaillierten Überblick gibt Ruba Husari, “The Model Producing Oil Field Technical Service Contract (PFTSC): An Overview”, Middle East Economic Survey, VOL. LII, No 26, 6-Jul-2009

[3] Thamir Al-Ghadban erläutert dies im o.g. Interview detailiert.

[5] Ben Lando, Nizar Latif, One oil field awarded, many questions remain, Iraq Oil Report, 30.6.2009

[6] Ben Lando u.a, Workers rebel, Iraq Oil Report, 17.7.2009

[7] Ruba Husari, Interview with Jabbar Al-Luaibi, Iraq Oil Forum, 20.5.2009,

[8] Siehe Greg Muttitt, Iraq’s Oil Field Bid Rounds – Development Or ‘Stabilization’ a.a.O.

[9] Ben Lando u.a, Workers rebel, Iraq Oil Report, 17.7.2009

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