Straflosigkeit für Blackwater-Killer?

US-Richter Ricardo Urbina machte zum Jahresende fünf US-Söldnern der berüchtigten Firma Blackwater ein verspätetes Weihnachtsgeschenk. Sie werden beschuldigt im September 2007 am Nisur-Platz im Westen Bagdads völlig grundlos auf eine Menge von Irakern gefeuert zu haben. Sie töteten mit ihrer Schießerei an der belebten Kreuzung 17 Menschen und verwundeten 27 weitere z.T. sehr schwer. Unter den Opfern waren auch viele Frauen und Kinder.
Mr. Urbina, Richter am Bezirksgericht in Washington, hat die Klage kurz vor Jahresende wegen angeblicher Formfehler bei den Ermittlungen als unzulässig abgewiesen.
 
Die Staatsanwaltschaft, so Urbina, habe Beweismittel gegen die Beschuldigten „missbräuchlich“ verwendet. Im Wesentlichen geht es darum, dass die fünf Söldner umfassende Aussagen gemacht hatten, weil sie von Vertretern des State Department Straflosigkeit zugesichert bekommen hätten. Indem die Staatsanwaltschaft diese Aussagen bei ihren Ermittlungen berücksichtigt hätte, seien die Verfassungsrechte der Männer in eklatanter Weise verletzt worden. Deswegen habe er den gesamten Fall verwerfen müssen. (Das gesamte Urteil findet man hier)

Dabei besteht über den Tathergang selbst und die Verantwortung der Blackwater-Leute kein ernsthafter Zweifel. Die fünf behaupten zwar, sie hätten nur auf einen Angriff mit Handfeuerwaffen reagiert. Dutzende Augenzeugen schildern den Ablauf jedoch anders. Keiner hat vorher Schüsse gehört, bevor die Blackwater-Leute, die einem Konvoi von US-Diplomaten einen Weg durch die obligatorischen Verkehrstaus bahnten, das Feuer eröffneten – und zwar mit allem, was den Hightechkillern zur Verfügung stand: vom Präzisionsgewehr über Maschinengewehre bis zu Panzerfäusten und Granatwerfern. Die Opfer sind durchweg Leute, die zufällig gerade vorbeigingen oder vorbeifuhren. (New Evidence That Blackwater Guards Took No Fire, NYT, 13.10.2007 und Blackwater trial: 15 minutes of gunfire which left 17 dead, The Guardian, 1.1.2010)

Ein sechster Beteiligter, Jeremy P. Ridgeway, ist von dem Richterspruch nicht betroffen. Er hat sich selbst der vorsätzlichen Tötung eines Irakers und des versuchten Totschlags für schuldig bekannt und sich zur Zusammenarbeit mit der Staatsanwaltschaft bereiterklärt. (Plea by Blackwater Guard Helps Indict Others, NYT, 8.12.2008)

Rassitische, neokoloniale Arroganz

Sollte der Richterspruch bestand haben, so würde ein Formfehler reichen, fünf Killer straffrei zu belassen. Mit anderen Worten, US-Beamte hätten es jederzeit in der Hand, einen Prozess gegen Landsleute platzen zu lassen, indem sie in geeigneter Weise vor oder während den Ermittlungen pfuschen.

Selbstverständlich sollen auch die grundlegenden Rechte solcher Mörder gewahrt bleiben. Darum geht es hier jedoch nicht. Zunächst gehören die Söldner überhaupt nicht in den USA vor Gericht, sondern im Irak. Obwohl das neue irakische Gerichtssystem maßgeblich von den USA aufgebaut wurde, und trotz der großen Abhängigkeit der irakischen Institutionen von den Besatzern, wäre hier den Fünfen der Gedanke an Immunität wohl kaum gekommen. Dass sie tatsächlich glaubten, trotz des von ihnen angerichteten Massakers um eine Anklage herumzukommen, beweist nur die rassistische Arroganz der Söldner. Entsprechende Versprechen US-amerikanischer Behörde können jedenfalls kaum auf dieselbe Stufe wie die Erpressung von Aussagen durch Einschüchterung oder Folter gestellt werden.

Unabhängig davon haben Ihre Aussagen ohne keine größere Bedeutung. Der Richter hätte, wenn er Probleme mit ihnen hat, einfach alles, was damit zusammenhängt, ignorieren können. Es wären immer noch mehr als genug Zeugenaussagen und Beweise übrig, um sie zu verurteilen.

Man stelle sich nur einmal vor, bewaffnete Ausländer hätten auf einer Kreuzung in New York, Madrid, London oder Berlin das Feuer eröffnet und über 40 Menschen getötet und verwundet. Der Gedanke, die Anklage gegen sie könnte fallengelassen werden, weil sie ihre Aussagen im Glauben an Immunität gemacht hätten, würde allgemein als absurd angesehen werden. Hier hingegen kann sich der Oberkommandierende der Besatzungstruppen hinstellen und nach Kolonialherrenart davon faseln, dass dies halt eine „Lektion bezüglich der Herrschaft des Rechts“ sei, die die Iraker offenbar noch lernen müssten. (Iraqis Angered as Blackwater Charges Are Dropped, NYT, 2.1.2010)

"Was sind wir – keine Menschen?"

Die Iraker sind verständlicher Weise außer sich vor Wut darüber, dass die fünf nun trotz klarer Beweise straffrei bleiben sollen. "Was sind wir – keine Menschen?" fragt z.B. Abdul Wahab Adul Khader, ein Bankangestellter, den sie in die Hand schossen, als er sein Auto durch den Kreisverkehr fuhr. "Warum haben sie das Recht, Leute zu töten? Ist unser Blut so billig? [...] Sie jagten mich und schossen auf mich. Sie waren entschlossen, mich fertig zu machen."
Andere hatten gar nichts anderes erwartet: "Ich wurde vom Urteil nicht überrascht, weil das ganze Verfahren irreal war. Sie [die USA] üben ständig Doppelmoral und reden über Menschenrechte, aber sie sind die Ersten, die diese Rechte verletzen“, meinte beispielsweise Ahmed Jassim, ein Bauingenieur in der schiitischen Stadt Nadschaf.

Blackwater weltweit berüchtigt

Die Blackwater-Söldner haben ohnehin im Irak einen üblen Ruf. Sie haben, wie die Untersuchungen ergaben, auch in vielen anderen Fällen schon rücksichtslos von der Waffe gebraucht gemacht. Es kam bisher nur noch nie zu einem Verfahren (Prosecutors in Iraq Case See Pattern by Guards, NYT, 13.9.2009). Auch beim größten Verbrechen der USA im Irak, bei der Zerstörung Falludschas spielten die Untaten von Blackwater eine entscheidende Rolle. Im Frühjahr 2004 waren in Falludscha vier der bereits weithin berüchtigten Blackwater-Leute aus Rache getötet worden. Eine wütende Menge schleifte sie anschließend durch die Stadt und hängte sie an einer Brücke überm Euphrat auf. Die Besatzer übten fürchterliche Vergeltung, indem sie die ganze Stadt tagelang angriffen und schließlich – erbost, über den Widerstand der sich ihnen entgegenstellte –im November 2004 stürmten und größtenteils zerstörten.

Die durch Bushs Terrorkriege reich gewordene Firma Blackwater treibt natürlich nicht nur im Irak ihr Unwesen. Als weitere Spitze des Eisbergs wurden letzte Woche zwei weitere Blackwater-Mitarbeiter wegen einer Bluttat in Afghanistan verhaftet. Sie haben bei einer Schießerei im vergangenen May zwei Afghanen getötet und einer verwundet.


Erik Prince, Mastermind der kommerziellen Terrors (Foto Nigel Parry, Quelle Vanity Fair)
Nach Angaben ehemaliger Angestellter der Firma und US-Geheimdienstmitarbeiter haben Blackwater-Söldner sowohl im Irak als auch in Afghanistan eine maßgebliche Rolle bei verdeckten, sog. “snatch and grab”-Operationen zur Gefangenahme oder Ermordung von Gegnern gespielt, d.h. sie waren (und sind es vermutlich noch) Teil US-amerikanischer Todesschwadrone. (Blackwater Guards Tied to Secret C.I.A. Raids, NYT, 11.12.2009 und Blackwater Worldwide, NYT).
Der Gründer der Firma, Erik Price, hat dies gegenüber dem US-Magazin Vanity Fair auch selbst bestätigt. Er gab dem Magazin, das ihm in seiner aktuellen Ausgabe einen langen Bericht widmet, ungeniert und recht detailliert Auskunft über die intensive und ausgedehnte Zusammenarbeit mit der CIA, beispielsweise beim Aufspüren und Töten von „Al-Qaeda-Führern“ oder bei der Steuerung des Einsatz von Kampfdrohnen im afghanisch-pakistanischen Grenzgebiet. (Tycoon">http://www.vanityfair.com/politics/features/2010/01/blackwater-201001">Tycoon, Contractor, Soldier, Spy, Vanity Fair, Januar 2010, kürzer: Blackwater Founder Tells of Extensive Government-Contracted Assassinations, truthout, 4.12.2009 )

Blackwater versucht sich freizukaufen

Die irakische Regierung steht aufgrund der Stimmung im Lande jedenfalls mächtig Druck und hat angekündigt mit allen Mitteln zu versuchen das Urteil Urbinas zu revidieren.

Nicht betroffen von dem Richterspruch sind die parallel anhängigen Zivilklagen der betroffenen Familien. Blackwater, die nach der zunehmend schlechten Presse sich in Xe umbenannte, hat sich aber offenbar nun schnell mit den meisten Familien von Opfer über Entschädigungs- und Schmerzensgeldzahlungen geeinigt. 16 der 17 betroffenen irakischen Familien hätten das Angebot des Unternehmens angenommen, und erhielten jeweils 100.000 Dollar (70.062 Euro) für getötete sowie zwischen 20.000 und 50.000 Dollar für verwundete Mitglieder, teilte ein Anwalt mit. (Blackwater zahlt Schmerzensgeld an Iraker, 10.1.2010)

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