Jahrhundert-Raub: Die Beschlagnahme der Konten libyscher Staatsfonds durch die NATO-Staaten

Die Kolonialmächte der „Willigen“ haben die gewaltigen Auslandsinvestitionen des libyschen Staates beschlagnahmt. Dieses Geld, dass bei westlichen Banken eingefroren wurde, bedrohte das Monopol der Weltbank und des IMF indem es Entwicklungsprogramme in der Dritten Welt finanzierte. Dazu nachfolgender Artikel von Manlio Dinucci aus der italienischen Tageszeitung „Il Manifesto“ vom 22. April 2011, übersetzt von Bernd Duschner von Freundschaft mit Valjevo e.V.
 
 
Der Raub des Jahrhunderts: Die Beschlagnahme der Gelder der staatlichen libyschen Fonds durch die "Willigen"
Manlio Dinucci,
Il Manifesto, 22. April 2011

Das Ziel des Krieges in Libyen ist nicht nur das Öl. Die Reserven des Landes (geschätzt auf 60 Milliarden Barrel) sind die größten in Afrika und die Kosten für seine Gewinnung zählen zu den niedrigsten in der Welt. Es ist auch nicht allein das Erdgas. Die Reserven werden auf 1500 Milliarden Kubikmeter geschätzt. Im Visier haben die „Bereitwilligen“ der Operation „United Protector“ auch die staatlichen Fonds, die Gelder, die der libysche Staat im Ausland investiert hat.

Die staatlichen Fonds, die der „Libyan Investment Authority“ (LIA) verwaltet, werden auf rund 70 Milliarden Dollar geschätzt. Sie betragen über 150 Milliarden Dollar, wenn die Auslandsinvestitionen der Zentralbank und anderer Organe mitgerechnet werden. Aber es könnten auch mehr sein. Wenn die staatlichen Fonds auch kleiner sind, als die von Saudi-Arabien und Kuweit, so kennzeichnet sie ein rasches Wachstum. Als die LIA 2006 errichtet wurde, verfügte sie über 40 Milliarden Dollar. In kaum 5 Jahren hat sie in über 100 nordafrikanische, asiatische, europäische, nord- und südamerikanische Gesellschaften investiert, in Holdings, Bank, Immobilgesellschaften, Industrien, Ölgesellschaften und andere. In Italien gingen die größten libyschen Investitionen in die Unicredit Bank (an ihr besitzen LIA und libysche Zentralbank 7,5%), Finmeccanica (2%) und ENI (1%). Diese und weitere Investitionen (darunter 7,5% am Fußballclub Juventus Turin) haben nicht so sehr ökonomische (insgesamt etwa 4 Milliarden Euro), sondern politische Bedeutung.

Nachdem Washington Libyen von der Proskriptionsliste der „Schurkenstaaten“ gestrichen hatte, versuchte das Land für sich einen Manövrierraum auf internationaler Ebene zu gewinnen. Dazu setzte es auf „Diplomatie mittels seiner staatlichen Fonds“. Seit 2004 die USA und die EU das Embargo aufgehoben hatten und die großen Erdölgesellschaften zurückgekehrt waren, konnte Tripolis über einen Handelsbilanzüberschuss von rund 30 Milliarden Dollar pro Jahr verfügen, die es zu einem großen Teil für Investitionen im Ausland verwandte.

Die Verwaltung der staatlichen Fonds hat jedoch einen neuen Mechanismus von Macht und Korruption in den Händen von Ministern und hohen Funktionären geschaffen, der wahrscheinlich teilweise auch der Kontrolle von Gaddafi selbst entglitten ist. Das wird dadurch bestätigt, dass er 2009 vorgeschlagen hat, die 30 Milliarden Einnahmen aus dem Ölgeschäft sollten „direkt an das libysche Volk gehen“. Der Bruch innerhalb der libyschen Regierung wurde dadurch verschärft.

Die herrschenden Kreise in den USA und Europa haben an diesem Bruch angesetzt und sich - bevor sie militärisch Libyen angegriffen haben, um seine reichen Energievorkommen in die Hand zu bekommen – der Mittel der staatlichen Fonds bemächtigt. Der Vertreter des „Libyan Investment Authority“ Mohamed Layas hat ihnen dabei geholfen. Wie ein Telegramm enthüllt, das dank Wikileaks durchgesickert ist, hat Layas am 20. Januar den US -Botschafter
In Tripolis darüber informiert, dass die LIA 32 Milliarden Dollar bei US Banken deponiert hatte.

Fünf Wochen später, am 28. Februar, hat das US Schatzministerium die Gelder „eingefroren“. Nach offiziellen Erklärungen ist es die größte Geldsumme, die jemals in den USA blockiert wurde. Washington hält sie fest auf einem „Konto für die Zukunft Libyens“. In Wirklichkeit werden die Gelder als Kapitalspritze für die immer höher verschuldete Wirtschaft der USA dienen. Wenige Tage später hat die EU rund 45 Milliarden EUR libyscher Fonds eingefroren.

Die Beschlagnahme der staatlichen libyschen Fonds wird eine besonders starke Auswirkung auf Afrika haben. Hier hat die Libysch-Arabisch-Afrikanische Investment Gesellschaft in über 25 Länder, davon in 22 subsaharische Länder investiert und geplant, diese Investitionen in den nächsten 5 Jahren insbesondere in den Sektoren Bergbau, verarbeitende Industrie, Tourismus und Telekommunikation zu erhöhen.
Die libyschen Investitionen waren entscheidend für die Realisierung des ersten Telekommunikationssatelliten der Rascom (Regional African Satellite Communication Organization). Er trat im August 2010 in den Orbit ein und ermöglicht es den Afrikanischen Ländern, sich schrittweise von den amerikanischen und europäischen Satellitensystemen unabhängig zu machen und dabei jährlich Hunderte von Millionen Dollar einzusparen.

Noch wichtiger waren die libyschen Investitionen für die Schaffung von drei Finanzinstituten, mit der die Afrikanischen Union begonnen hat: dem Afrikanische Investmentbank mit Sitz in Tripolis, dem Afrikanische Währungsfonds mit Sitz in Yaounde (Kamerun) und der Afrikanischen Zentralbank mit Sitz in Abuja (Nigeria). Die Entwicklung dieser Institute würde es den afrikanischen Ländern ermöglichen, sich der Kontrolle von Weltbank und Weltwährungsfonds, Instrumenten der neokolonialen Herrschaft, zu entziehen.
Sie würde das Ende des französischen CFA Franc bedeuten, einer Währung, deren Nutzung 14 ehemalige französische Kolonien gezwungen sind.

Das Einfrieren der libyschen Fonds versetzt dem ganzen Projekt einen schweren Schlag. Die Waffen, die die „Bereitwilligen“ einsetzen, sind nicht nur diejenigen der Operation „United Protector“.

Übersetzt aus dem Italienischen von Bernd Duschner

Original:
La rapina del secolo: l’assalto dei «volenterosi» ai fondi sovrani libici

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