Libyen: Truppen-Aktivitäten und Manöver der NATO deuten auf Interventionsvorbereitung vor dem Aufstand hin

Es gibt viele Hinweise, dass der Krieg gegen Libyen bereits seit längerer Zeit geplant war- siehe z.B Abou Hassan und Michael Opperskalski, "Stunde Null“ im Nahen Osten? - Westliche Geheimdienste bereiteten die libysche "Revolution" jahrelang vor, NRhZ, 21.03.2011 oder Sarkozy manovra la rivolta libica ("Wie Sarkozy die libysche Revolte steuerte") in der der italienische Zeitung Libero v. 23.3.2011

Update: Es gibt nun eine deutsche Übersetzung. (Dt. Zusammenfassung siehe unten.).

Heinz Eckel fand Informationen über Übungen von Nato-Truppen für einen Einsatz gegen ein Land wie Libyen, bei denen man auch nur schwer an einen Zufall glauben mag.
 

Libyen: Alles Zufall?
von Heinz Eckel (Berlin), 29.03.2011

Nach einem Augenzeugenbericht (veröffentlicht in der FAZ vom 24.3) sollen bereits v o r Beginn der Auseinandersetzungen in Libyen dänische Kampfjets für den Einsatz in Libyen geübt haben (s. Anhang).
F.A.Z., 24.03.2011, Nr. 70 / Seite 34

Zufall?

Zu "Nato will Flugverbot durchsetzen" (F.A.Z. vom 19. März): Ich lebe in Zürich und Grosseto, wo sich einer der drei wichtigsten Luftwaffenstützpunkte Italiens befindet. Ich war bereits daselbst, weil ein Freund dort arbeitet, und hatte sogar das Vergnügen, in einem Eurofighter Platz zu nehmen.

Vor über einem Monat - noch bevor in Libyen der Konflikt ausbrach - war ich wieder einmal Flugzeug schauen, als plötzlich einige dänische F16 dort landeten. Ich habe auch ein Büro in der Nähe und sah diese Gastflugzeuge morgens und auch nachmittags zu Trainingsflügen starten. Ein anderer Freund sagte mir, dass er von einem Angestellten des Flughafens gehört habe, dass die Dänen hier für Libyen übten. Ich verstand das damals nicht. Nun stehen genau diese dänischen Jets in Sigonella, um an der Allianz gegen Gaddafi teilzunehmen. Ich kann nicht an Zufall glauben.

Manfredo Crivelli, Baar, Schweiz
In diesem Zusammenhang stellen sich noch weitere Fragen zur Militärintervention in Libyen:

1.) wieso liefen bereits am 15. Februar - also kurz vor dem Beginn des Aufstands am 17. Februar - drei deutsche Kriegsschiffe (2 Fregatten, 1 Einsatzgruppen-Versorgungsschiff) zu einem "praxisnahe(n) Einsatz" "in Richtung Süden. Mit Kurs Mittelmeer" aus? (siehe: Der zweite Törn läuft, Presse- und Informationszentrum Marine, 22.02.2011 )

"Ein" Auftrag dieses Flottenverbandes stellte nach Angaben der Bundeswehr die "praxisnahe Ausbildung der OA" (= Offiziersanwärter) dar - über die anderen Aufträge schweigt sich die Bundeswehr aus. Allerdings schreibt sie:
"Die gesamte Ausbildung orientiert sich an den aktuellen und zukünftigen" (!) "Einsätzen der Marine" (ebd.)
Und noch ein Hinweis findet sich in dieser Mitteilung der BW: "Den Höhepunkt bildet dabei die Übung NOBLE MARINER 2011, an der 18 Schiffe aus sechs Nationen teilnehmen werden".

Zum Ziel von "Noble Mariner" erklärt die NATO selbst:
"Sie werden darin trainiert werden, wie man reale Operationen ausführt - beispielsweise humanitäre und Katastrophen-Hilfe, gemeinsam mit der Bereitstellung von Sicherungs- und Hilfsmaßnahmen zur Stabilisierung einer Situation oder Krise" (s. Exercise Noble Mariner 2011 Home Page der NATO )
Bei dem beschriebenen deutschen Marine-Einsatzverband handelt es sich um die gleichen 3 Kriegsschiffe, zu deren Einsatz das Bundesverteidigungsministerium am 24.3. wie folgt zitiert wird:
Zur Rettung deutscher Staatsbürger aus Libyen sind drei deutsche Marineschiffe auf dem Weg zur libyschen Küste. Es handele sich um die Fregatten „Brandenburg“ und „Rheinland-Pfalz“ sowie den Einsatzgruppenversorger „Berlin“, sagte ein Sprecher des Verteidigungsministeriums.
(siehe:  Marineschiffe auf dem Weg zur Küste Libyens, Focus, 24.02.2011 sowie Daniel Neun, Deutsche Kriegsschiffe vor Libyen: Staatsparteien, Militär und Informationsindustrie decken Vorbereitung zum Angriffskrieg, 4. März 2011)

2.) wieso beschlossen bereits im November 2010 Frankreich und Großbritannien ein gemeinsames Manöver unter dem Namen "Southern Mistral" ("Südlicher Mistral")? (s.: Southern Mistral 2011, CDAOA, 04 Mars 2011)


Logo des "Air Defence and Air Operations
Command" (CDAOA)

Als "Szenario" des Manövers wird offiziell Folgendes genannt:

In einem "imaginären Land" namens "Southland" (also "Südland") soll "eine Diktatur" bekämpft werden, die "verantwortlich für einen Angriff auf Frankreichs nationale Interessen" ist.

"Frankreich trifft die Entscheidung, seine Entschlossenheit gegenüber SOUTHLAND (unter der Resolution Nr. 3003 des UNO-Sicherheitsrats) zu zeigen", heißt es wörtlich in diesem offiziellen Szenario der französischen und britischen Streitkräfte (siehe: Scenario, CDAOA, 04 Mars 2011) )

Als Zeitraum wurde 2010 der 21.-25. März 2011 genannt (s.: Southern Mistral 2011, CDAOA, 04 Mars 2011)

Tatsächlich begann das Manöver aber schon am 15.3.2011 2011 (also 4 Tage vor Beginn der Luftangriffe auf Libyen am 19.3.); die französische Luftwaffe beglückwünscht sich (auf ihrer Homepage) dabei selbst, statt der sonst übliche 6 Monate nur 3 Monate für die Vorbereitung benötigt zu haben (s. Démarrage de l’exercice franco-britannique Southern Mistral, Armée de l’Air, 16/03/2011)

In diesem Manöver wurden u.a. die gleichen Flugzeugtypen - Mirage 2000D, N und C, Tornados GR4, Rafale sowie AWACS - eingesetzt, wie bei den jetzigen Luftangriffen auf Libyen (vergleiche dazu Assets Deployed, CDAOA, 15.2.2011 mit Libyen - Frankreich setzt Luftangriffe fort, Tagesspiegel, 19.3.2011 und mit Franco British Air Exercise: Southern Mistral 2011, ARRSE, 15-03-2011)


Logo der britisch-französischen Militärübung "Southern Mistral"

Laut offizieller Meldung der französischen Luftwaffe (vom 25.3.2011) wurde die Übung inzwischen "ausgesetzt" (s. Suspension of exercise Southern Mistral 2011, CDAOA, 25.3.2011) - es ist zu vermuten, dass sie in Wirklichkeit in den Ernstfall übergegangen ist.
Den "Höhepunkt" der Übung bildete übrigens ein Luftangriff namens "Southern Storm" (s. Démarrage de l’exercice franco-britannique Southern Mistral) - man kann sich fragen, ob die Namensähnlichkeit zur Operation "Desert Storm" - mit der der Angriff auf den Irak 1991 begonnen wurde - rein zufällig ist. Immerhin hatte die französische Luftwaffe vor kurzem erst "20 Jahre Desert Storm" gefeiert. s. Colloque : 20ème anniversaire de l'opération "Tempête du désert"

Auf französischen Websites wird denn auch die Frage gestellt, ob es sich bei diesem Zusammentreffen von Übung und Ernstfall um Vorsatz oder Zufall handelt. Während die Übung noch den Namen "Südlicher Mistral" trug (also nach einem Wind benannt wurde, der hauptsächlich in Frankreich weht), wurde der französische Teil des derzeitigen Angriffs auf Libyen "Opération Harmattan" genannt. Der Harmattan ist ein Wind, der von Ende November bis Mitte März in Westafrika (von der Sahara zum Golf von Guinea) weht.

3.) Am Abend des 18. März - also wenige Stunden vor Beginn der Angriffe auf Libyen - landeten zwei Bundeswehr-Transall-Maschinen sowie zwei britische Royal-Airforce-Maschinen ohne Erlaubnis in der libyschen Wüste, um britische und deutsche Staatsbürger auszufliegen. An Bord: hochspezialisierte Fallschirmjäger des Fallschirmjägerbataillon 373 aus Seedorf in Wüstenuniformen ("Operation Pegasus", siehe:  Operation PEGASUS, YouTube-Bundeswehr, 08.03.2011 Bundeswehroperation Nafurah - Riskante Rettungsmission hinter feindlichen Linien, Spiegel, 28.2.2011, Retter in geheimer Wüsten-Mission, NORDSEE-ZEITUNG, 01.03.2011).

Dieses Fallschirmjägerbataillon hatte schon etliche Wochen zuvor den "Kampf gegen Aufständische sowie die militärische Evakuierung deutscher Staatsbürger aus Krisengebieten" geübt; dies berichtet u.a. die "Bremervörder Zeitung" in einem Artikel vom 21.2.2011 (Soldaten üben Evakuierung)

Schon am 18.2. (!!), also nur ein Tag nach dem "Tag des Zorns", der den Aufstand einleitete, stellte die Bundeswehr ein Video zu den Übungen dieser Fallschirmjägereinheit bei Youtube ein (s. http://www.youtube.com/watch?v=uHUKWhLRjww ).

Am Ende dieses Videos heißt es wortwörtlich:

"UND DER NEUE AUFTRAG - EINE MILITÄRISCHE EVAKUIERUNGSAKTION - WIRD SCHNELLER KOMMEN ALS GEDACHT"

Es fällt schwer, bei allen diesen Ereignissen an reine Zufälle zu glauben.
Sarkozy manovra la rivolta libica ("Wie Sarkozy die libysche Revolte steuerte")
di Franco Bechis, Libero (Milano) 23.3.2011

Update: Es gibt nun eine deutsche Übersetzung.
Hier eine Zusammenfassung daraus:

Franco Bechis, der stellvertretende Direktor der italienischen Tageszeitung Libero, beschreibt in seinem Artikel, wie der persönliche Protokollchef Gaddafis, Nouri Mesmari (der Gaddafi seit 40 Jahren - mit einer 15jährigen Unterbrechung - gedient hat), bereits am 21. Oktober 2010 mit seiner Familie nach Paris gereist ist, nachdem er zuvor mit Dissidenten in Tunesien Kontakt aufgenommen haben soll.

Anlass bzw. Vorwand dieser Reise sei ein geplanter Krankenhausaufenthalt in Frankreich inklusive einer möglichen Operation gewesen, den er jedoch nie angetreten habe. Stattdessen habe er die ganzen Tage über Bedienstete der französischen Geheimdienste getroffen.

Am 18. November 2010 sei dann eine sehr merkwürdige Delegation nach Bengazi gereist: offiziell eine Handelsdelegation, in der sich aber auch mehrere als Geschäftsleute verkleidete französische Militärs befunden hätten. In Bengazi hätten sie einen Oberst der libyschen Luftwaffe, Abdallah Gehani, getroffen, der ihnen von Mesmari benannt worden sei.

Gehani habe außerhalb jeden Verdachts gestanden, aber Gaddafis Ex-Protokollchef (Mesmari) habe enthüllt, dass er bereit sei, zu desertieren, und dass er ebenfalls gute Kontakte mit den tunesischen Dissidenten habe.

Gaddafi habe aber von der Sache irgendwie doch Wind bekommen und habe einen internationalen Haftbefehl gegen Mesmari ausstellen lassen, der daraufhin in Paris politisches Exil beantragt habe. Dort habe er nach und nach Gaddafis Militärgeheimnisse aufgedeckt und sämtliche Details der diplomatischen und finanziellen Allianzen Gaddafis sowie die Zwistigkeiten und die vor Ort in Libyen vorhandenen Kräfte preisgegeben.

Außerdem habe er - schon im Dezember 2010 - drei andere Libyer (Farj Charrant, Fathi Boukhris und All Ounes Mansouri) in Paris empfangen, welche dann (nach dem 17. Februar 2011) zusammen mit Al Hadjii die Revolte gegen die Milizen Gaddafis in Bengazi angeführt hätten. Auch französische Staatsfunktionäre und leitende Mitarbeiter der französischen Geheimdienste seien bei den Treffen in Paris anwesend gewesen. So habe Frankreich schon Mitte Januar 2011 sämtliche Schlüssel zum Sturz Gaddafis in der Hand gehabt. Gehani (der libysche Luftwaffenoberst) habe dann die Revolte in Bengazi mit französischer Hilfe vorbereitet.
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Zusammenstellung der Informationen: Heinz Eckel (Berlin)

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